Das Klimaabkommen von Paris wurde am 12. Dezember 2015 beschlossen und ist eine völkerrechtlich
bindende Vereinbarung zur Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen. Fast 190 Vertragsparteien,
darunter alle EU-Mitgliedsstaaten und die EU als Ganzes, haben es unterzeichnet.
Das Abkommen legt unter anderem Folgendes fest:
Begrenzung der Erderwärmung: Die globalen Durchschnittstemperatur soll deutlich weniger
als 2°C über das vorindustrielle Niveau ansteigen. Darüber hinaus will die Staatengemeinschaft
Anstrengungen unternehmen, damit es nicht mehr als 1,5°C werden.
Transparenz: Alle Unterzeichnerstaaten ermitteln ihren Treibhausgasausstoß nach einheitlichen
Meßkriterien und melden diesen regelmäßig an das UN-Klimasekretariat.
Regelmäßiger Kassensturz; Ab 2018 findet alle fünf Jahre ein „global stocktake“ statt. Dabei
ermittelt ein ExpertInnengremium, ob die Klimaschutzbeiträge (NDCs) der einzelnen Staaten in
ihrer Summe schon ausreichen, um das Limit bei der Klimaerwärmung einzuhalten. Derzeit tun sie
das nicht. Selbst wenn alle Staaten ihre Selbstverpflichtungen einhielten – was oft nicht der
Fall ist - würden wir Modellrechnungen zufolge bei 2,7°C Grad Erderwärmung landen.
Regelmäßige Ambitionssteigerung: Nach dem „global stocktake“ haben die einzelnen Staaten zwei
Jahre Zeit, ihre Selbstverpflichtungen (NDCs) zu überarbeiten. Dann melden sie die aktualisierten
NDCs an das Klimasekretariat. Dieses Procedere fand erstmals 2020 statt. Die EU hat aus diesem
Anlass ein neues Emissionsziel von minus 55% bis 2030 (verglichen mit dem Stand von 1990)
beschlossen. Und China hat angekündigt, den Höhepunkt seiner Emissionen vor dem Jahr 2030 zu
erreichen und sie danach zu senken. Eine Auflistung der überarbeiteten Klimaziele von 2020 ist
hier
zu finden.
Klimafinanzierung: Die Industrieländer verpflichten sich, bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar
für Klimaschutz und Klimaanpassung in Entwicklungsländern zu zahlen. Bis 2026 soll dann ein neuer
Finanzierungsmechanismus mit noch größerem Geldvolumen ausgearbeitet werden.
2010 hat sich die Weltgemeinschaft erstmals auf eine konkrete Obergrenze für die globale Erwärmung geeinigt:
Bis zum Jahr 2100 sollte sich die Erde um maximal 2 Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung
(also der Zeit zwischen 1850 und 1900) erwärmen.
Vielen war diese Grenze noch nicht ambitioniert genug. Daher beschlossen die Vertragsstaaten beim Pariser
Klimagipfel 2015, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad und wenn möglich auf unter 1,5 Grad zu begrenzen.
Ein Grund für diese Verschärfung war, dass viele Inselstaaten bereits bei einer Erwärmung von mehr als 1,5 Grad
aufgrund des steigenden Meeresspiegels keine Zukunft mehr haben werden. Die globale Durchschnittstemperatur auf
der Erdoberfläche liegt heute um etwa 1,2 Grad höher als 1850, womit rechnerisch noch 0,3 Grad verbleiben, um die
1,5-Grad-Grenze einzuhalten.
Beim Überschreiten des 1,5-Grad-Limits wird das Risiko sehr hoch, dass die in Abbildung 1 dargestellten Kippelemente
oder -punkte (engl. tipping points) erreicht werden. Dies würde weitere, nicht lineare, unumkehrbare und in ihren
Konsequenzen kaum einschätzbare Folgen nach sich ziehen.
Geografische Einordnung der wichtigsten Kippelemente im Erdsystem. Sie lassen
sich in drei Klassen einteilen: Eiskörper, sich verändernde Strömungs- bzw. Zirkulationssysteme
der Ozeane und der Atmosphäre sowie bedrohte Ökosysteme von überregionaler Bedeutung. Fragezeichen
kennzeichnen Systeme, deren Status als Kippelement wissenschaftlich noch nicht gesichert ist.
Grafik: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) 2017/CC-BY-ND 3.0
Bei den Kippelementen handelt es sich um Bestandteile im Erdsystem, welche beim Überschreiten einer Temperaturschwelle
im Hintergrundklima in einen qualitativ neuen Zustand übergehen können. Diesem Übergang liegen oft selbstverstärkende
Prozesse zugrunde, die – einmal angestoßen – auch ohne weiteren externen Einfluss weiterlaufen. Dazu gehören zum
Beispiel:
das Schmelzen von Eis auf Gletschern und im Meer
das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien und Nordamerika
Aus dem Gesagten folgt, dass es keine scharfe Grenze zwischen „tolerablem“ und „gefährlichem“ Klimawandel gibt.
Beim 1,5-Grad-Limit handelt es sich demzufolge um eine politische Festlegung. Sie ist eher als Wegmarke zu sehen,
jenseits derer die Ungewissheiten und Risiken deutlich zunehmen und die vom Klimawandel ausgehenden Folgen für viele
Gesellschaften unkontrollierbar zu werden drohen. Wenn es gelänge, das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, wären zahlreiche
Folgen der globalen Erwärmung bestenfalls gemildert, nicht aber abgewendet. Die Gletscherschmelze wäre ebenso wenig
gestoppt wie der Anstieg des Meeresspiegels. Dieser würde selbst nach einem vollkommenen Emissionsstopp noch für
Hunderte von Jahren weiterlaufen. Einige Klimaforscher weisen vor diesem Hintergrund darauf hin, dass 2 Grad eher
die Grenze zwischen „gefährlichem“ und „sehr gefährlichem“ Klimawandel darstelle als zwischen „tolerablem“ und
„gefährlichem“.
Auch wenn wir unsere Energieversorgung künftig komplett mit erneuerbaren Energien bestreiten, wird es weiterhin
Industrieprozesse geben, bei denen CO2-Emissionen entstehen. Ein Beispiel ist die Zementherstellung - und komplett
ohne Beton und Zement auszukommen, dürfte vor allem im Brücken- und Tiefbau schwierig werden.
Wenn die EU also ab 2050 (und Deutschland ab 2045) klimaneutral sein soll, müssen diese verbleibenden Emissionen
irgendwie ausgeglichen werden. Hier kommen die sogenannten Negativemissionen ins Spiel. Das sind Technologien,
die CO2 aus der Atmosphäre entnehmen und über mehrere Zehntausend Jahre speichern. Dazu zählen zum Beispiel:
Aufforstung und Wiederaufforstung
Bioenergienutzung mit CO2-Abscheidung und unterirdischer Speicherung (BECCS)
In ihrer Studie „Klimaneutrales Deutschland“ rechnen Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung
Klimaneutralität damit, dass Deutschland seine Emissionen bis 2050 um 95% senken muss und die restlichen
5% durch Negativemissionen ausgleichen kann. Die FDP fordert in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2021
sogar, schon bis 2030 ein Ziel von 5% Negativemissionen anzustreben.
Technische Methoden, um Negativemissionen zu „erzeugen“, sind
heute allerdings noch nicht wettbewerbsfähig.
Ihre CO2-Vermeidungskosten liegen durchweg im drei- bis vierstelligen Bereich. Das heißt: Erst bei
CO2-Preisen von über 100 Euro würden sie sich allmählich lohnen. Hinzu kommen andere Schwachpunkte:
Einige Methoden – etwa die Ozeandüngung – sind mit erheblichen ökologischen Risiken verbunden.
Andere – wie die Wiederaufforstung oder die Bioenergienutzung – geraten, wenn man sie erheblich ausweitet,
in einen Zielkonflikt mit der Nahrungsmittelerzeugung.
Klimaforscher halten es daher für gefährlich, sich für die Zukunft in großem Ausmaß auf Negativemissionen
zu verlassen. Ein
Beitrag auf der Website „The Conversation“ zeigt auf, wie in den letzten Jahrzehnten immer
extremere Maßnahmen für Negativemissionen ins Gespräch gebracht wurden, um trotz weiter steigender Emissionen
das 1,5-Grad-Limit bei der Erderwärmung noch einhalten zu können. Nach Meinung der Autoren sollten
Negativemissionen nur eine Art „Schleudersitz“ für den Klimaschutz sein, der im äußersten Notfall betätigt
werden sollte. Aber gewiss kein Grund, in der Klima- und Energiepolitik ansonsten eine Politik des
Weiter-so zu verfolgen.
CO2-Budgets
Bei der Klimakonferenz in Paris 2015 wurde beschlossen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C und nach Möglichkeit
auf unter 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau (also der Zeit vor etwa 1850) zu begrenzen.
Damit das gelingt, darf die Menschheit im 21. Jahrhundert insgesamt nur noch eine bestimmte Menge an Treibhausgasen
ausstoßen. Am wichtigsten ist also nicht die vieldiskutierte Frage, ob Europa im Jahr 2050 klimaneutral ist,
sondern wie schnell unsere Emissionen auf dem Weg zur Klimaneutralität sinken.
Man kann unsere Atmosphäre mit einer Badewanne vergleichen: Wenn ich den Wasserhahn voll aufdrehe und dann offen
lasse, ist sie schnell vollgelaufen. Drossele ich allerdings die Wasserzufuhr rasch, dauert es wesentlich länger.
Für den Klimaschutz sind zwar alle Treibhausgase relevant. Dazu zählen neben CO2 auch Methan (CH4), Lachgas (N2O),
halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) und einige mehr. Weil jedoch die meisten davon deutlich kürzer in der
Erdatmosphäre bleiben, konzentriert man sich bei der Angabe der Klimabudgets nur auf das langlebige CO2. Es ist
in Deutschland für rund 88% des Treibhauseffekts verantwortlich.
Bei der Festlegung von CO2-Budgets gibt es viele Unwägbarkeiten. Sie haben mit den noch verbleibenden
Unsicherheiten der Klimamodelle zu tun, aber auch mit der Frage, ob es uns gelingt, der Atmosphäre durch
sogenannte Negativemissionen größere Mengen CO2 zu entziehen. Solche Technologien sind gewissermaßen der
Stöpsel, der aus der Badewanne gezogen wird – nur dass die Atmosphäre dadurch niemals „leerlaufen“ wird.
Denn ihr Potenzial ist eng begrenzt: Laut Agora Energiewende
sind bis 2050 in Deutschland allenfalls 5% Negativemissionen realistisch.
Wichtiger sind die Unsicherheiten bei den Klimamodellen. Daher müssen für jedes CO2-Budget, das man angibt, zwei
Fragen geklärt sein:
Welche Temperaturerhöhung gegenüber dem vorindustriellen Niveau will ich nicht überschreiten?
Mit welcher Sicherheit soll dieses Temperaturlimit eingehalten werden?
Gebräuchlich sind unter Klimawissenschaftlern CO2-Budgets für maximal 1,5°C, 1,75°C und 2°C Klimaerwärmung
sowie Wahrscheinlichkeiten von 33%, 50% und 67%. Wohlgemerkt: 100% Sicherheit, dass eine bestimmte
Temperaturerhöhung nicht überschritten wird, kann es aufgrund der Komplexität des globalen Klimasystems
nicht geben!
Das globale CO2-Budget, das uns zum Einhalten eines bestimmten Temperaturlimit noch verbleibt lässt
sich mit Klimamodellen näherungsweise berechnen. Dabei ist immer auch die Frage relevant, mit welcher
Wahrscheinlichkeit das Limit eingehalten werden soll – denn 100% Sicherheit gibt es beim Klima nicht.
Hier nochmals die globalen CO2-Budgets gemäß der aktuellen Berechnungen des Weltklimarats:
Die Verteilung dieses Budgets auf einzelne Regionen, Länder und Menschen ist dagegen keine naturwissenschaftliche,
sondern eine politische Frage. Weitgehend unbestritten ist, dass jeder Mensch das gleiche Recht haben sollte,
Treibhausgase auszustoßen. Das Emissionsbudget für einzelne Länder muss daher proportional zu ihrer Bevölkerungsgröße
sein.
Nur: Ab wann soll dieses Prinzip gelten? Ab heute, ab 2025 oder womöglich schon ab dem Beginn der
Industrialisierung? Rechnet man auch vergangene Emissionen ein, wird es für die Industriestaaten eng:
Sie müssten praktisch von jetzt auf gleich jeglichen CO2-Ausstoß einstellen.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung hat daher in seinem
Umweltgutachten
von 2020 vorgeschlagen, pro Kopf gleiche Klimabudgets für alle Menschen ab Ende 2015 anzusetzen.
Also ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens als völkerrechtlich verbindlicher
Verpflichtung, 2°C Erderwärmung keineswegs zu überschreiten.
Das Versprechen von Paris, „deutlich unter 2°C“ zu bleiben, setzt der SRU mit einem Temperaturlimit von
1,75°C gleich, das mit 67%-iger Wahrscheinlichkeit eingehalten werden muss. Daraus ergeben sich für die
Welt, die EU und Deutschland folgende CO2-Budgets:
Im Klartext heißt das: Wenn wir in Deutschland weiterhin so viel CO2 ausstoßen wie heute, wäre das Budget
noch in diesem Jahrzehnt erschöpft. Dann müsste von einem Tag auf den anderen „Schluss sein.“ Realistischer
wäre es dagegen, die Emissionen kontinuierlich auf Null zu senken. Aber selbst dann müsste Deutschland im
Jahr 2038 komplett CO2-neutral sein.
Die Rechnung des SRU ist außerdem unvollständig, da sie die Anteile der EU und Deutschlands am
internationalen Luft- und Schiffsverkehr nicht einbezieht. Würde man diese berücksichtigen, wären
die Budgets noch früher aufgebraucht.
Für alle, die es genauer wissen wollen, hat unser Aktiver Andreas Wolfsteiner ein Online-Rechentool
für nationale CO2-Budgets entwickelt. Es ist hier im Internet zu finden.
Sehr anschaulich ist auch die Seite showyourbudgets.org.
Dort kann man sehen, wann die bestehenden
CO2-Budgets für bestimmte Temperaturlimits, Eintrittswahrscheinlichkeiten und Länder aufgebraucht
sind.
Schauen wir uns nochmals die verbleibenden CO2-Budgets an, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen
der Bundesregierung (SRU) berechnet hat. Zur Erinnerung: Unterstellt wurde dabei, dass sich die Welt
maximal um 1,75°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau erhitzen sollte und dass dieses Limit mit
einer Wahrscheinlichkeit von 67% eingehalten werden muss.
Für die EU folgt aus dem Budget, dass die Emissionen ab sofort um 3,9% jährlich sinken müssten. Für
Deutschland sind es sogar 5,2%. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2018 waren es in der EU weniger als
1% pro Jahr und in Deutschland etwas über 1%. Die angestrebte Verringerung wäre also ein echter
Quantensprung!
Wenn man nun die lineare Absenkung der Emissionen bis ins Jahr 2030 fortschreibt, kann man ermitteln,
welche Emissionsziele sich die EU und Deutschland eigentlich setzen müssten, um „Paris-kompatibel“
zu sein:
Zum Vergleich: Bisher hat sich die EU für 2030 ein Reduktionsziel von 55% gegenüber 1990 gesetzt.
Da dabei jedoch Negativemissionen durch die Forstwirtschaft angerechnet werden, entspricht das Ziel
real nur 52,8% Emissionssenkung.
Deutschland hat sich im Rahmen des Klimaschutzgesetzes verpflichtet, seine Emissionen im gleichen
Zeitraum um 65% zu senken. Beide werden also nochmals nachlegen müssen, um ihre Ziele „Paris-kompatibel“
auszugestalten.
Das gilt erst recht, wenn man nicht nur ein Temperaturlimit von 1,75°C, sondern ein Limit von
1,5°C anstrebt:
Grafik: eigene Darstellung nach Wuppertal Institut/Fridays for Future 2020
Grafik: eigene Darstellung nach Wuppertal Institut/Fridays for Future 2020
Die derzeitigen Klimaziele der Bundesregierung sind von der notwendigen Emissionsreduktion noch ein gutes Stück entfernt:
Grafik: eigene Darstellung nach Wuppertal Institut/Fridays for Future 2020
Deutschland hat auch nur einen Anteil von 3,5% am weltweiten Bruttoinlandsprodukt und von 2,5% an den
weltweiten Rüstungsausgaben. Bedeutet das, dass wir keine Wirtschafts- und Abrüstungspolitik mehr
betreiben sollten? Natürlich nicht.
2% Anteil an den weltweiten Emissionen mögen sich wenig anhören – aber nur fünf Länder auf der Welt
haben überhaupt einen größeren Treibhausgasausstoß als wir Deutschen. Außerdem ist Deutschland die
wichtigste Volkswirtschaft der EU, die zusammengenommen fast 10% der globalen Treibhausgasmissionen
verursacht. Um eine aktive Klimapolitik kommen wir daher gar nicht herum.
Grafik: Hannah Ritchie/OurWorldInData.org/CC-BY
Noch deutlicher wird das Bild, wenn man nicht die heutigen, sondern die historischen CO2-Emissionen
seit Beginn der Industrialisierung betrachtet. Daran beträgt Deutschlands Anteil satte 5,8%. Damit
stehen wir hinter den USA, China und Russland auf Platz 4 der ewigen Weltrangliste:
Grafik: eigene Darstellung nach OurWorldInData.org
Außerdem: Nur, weil China und die USA zusammen 42% der weltweiten Emissionen verursachen, macht sie
dies noch lange nicht zu Alleinverantwortlichen für den Klimaschutz. Unter dem Gesichtspunkt der
globalen Gerechtigkeit sind nämlich die Pro-Kopf-Emissionen ein wesentlich wichtigerer Indikator
als die Summe der Emissionen, die ein Land verursacht. Hier liegen wir ebenfalls deutlich über dem
Weltdurchschnitt und noch ein gutes Stück vor den Chinesen:
Grafik: OurWorldInData.org/CC-BY
Die Grafik zeigt auch: Andere Länder wie Großbritannien und die USA haben ihre Emissionen in den
letzten Jahren prozentual deutlich stärker gesenkt als Deutschland. Das Etikett des „Vorreiters“
im Klimaschutz, das manche PolitikerInnen unserem Land gern anheften, hat Deutschland wahrlich nicht
verdient. Auf der „Klimarangliste“ der OECD-Mitgliedsstaaten liegen wir, was die Treibhausgasreduktionen
angeht, nur auf dem mageren 22. Rang:
Grafik: eigene Darstellung nach Rahmstorf 2020
CO2-Preise
Wir alle treffen täglich Konsumentscheidungen. Die Bio-Äpfel oder die konventionell erzeugten? Die
regional erzeugte Milch oder die günstigere vom anderen Ende der Republik? Die Mehrzahl der Menschen
im Land entscheidet dabei nicht nach ökologischen Kriterien, sondern schlicht nach dem Preis. Zumal
es ihnen bei vielen Produkten – denken wir an Kleidung – völlig unklar ist, welche CO2-Emissionen
die Herstellung einer Ware verursacht hat.
Ein CO2-Preis ändert das. Er sorgt dafür, dass sich der CO2-Fußabdruck auf jedem Preisschild niederschlägt.
Er verteuert all das in unserem Leben, was mit hohem CO2-Ausstoß verbunden ist. Also den Kohlestrom, das
Autofahren oder die Importnahrungsmittel aus Übersee. Diese Preiserhöhung „lenkt“ Konsumentscheidungen
und Investitionsgelder in die richtige Richtung. Man spricht daher auch von der Lenkungswirkung eines
CO2-Preises.
Trotzdem bedeutet eine Preiserhöhung eine zusätzliche Kostenbelastung für viele BürgerInnen und
Unternehmen, da sie nicht sofort auf nicht-fossile Alternativen umsteigen können oder diese schlicht
und einfach teurer sind. Umso wichtiger ist daher eine finanzielle Kompensation für den CO2-Preis,
wie sie die Bürgerlobby Klimaschutz mit der Klimadividende vorschlägt.
Tendenziell dort, wo nach rein ökonomischen Gesichtspunkten entschieden wird; etwa bei
Kraftwerksbetreibern und in der Industrie. Im Privatleben ist der Mensch dagegen kein reiner
„homo oeconomicus“. Hier entscheiden auch Aspekte wie Bequemlichkeit oder die pure Gewohnheit
darüber, was gekauft wird. Daher braucht es hier meist höherer Preisanreize (oder andere
Maßnahmen wie Subventionen, Informationskampagnen und ordnungsrechtliche Vorgaben, um Menschen
zu Verhaltensänderungen zu bewegen.
Aber auch innerhalb der Wirtschaft gibt es Unterschiede, die vor allem mit den unterschiedlichen
CO2-Vermeidungskosten zu tun haben. So kostet es in der Stromerzeugung deutlich weniger Geld,
eine Tonne CO2 einzusparen, als im Verkehr. Das mag nicht für jeden Einzelfall gelten
– im Gesamtdurchschnitt unserer Volkswirtschaft ist es aber so. Der Stromsektor ist daher
auch der erste Wirtschaftsbereich, der sich unter dem Einfluss steigender CO2-Preise radikal
wandelt. Die Grafik unten zeigt das deutlich: Im Energiesektor sind die Emissionen in
Deutschland in den letzten 2 Jahren drastisch zurückgegangen.
Grafik: Clean Energy Wire/CC BY SA 4.0
Der Grund dafür: In den Jahren vor dem Ukraine-Krieg stieg der CO2-Preis im
europäischen Emissionshandel bis auf rund 90 €/Tonne. Kohlekraftwerke wurden
dadurch zunehmend unwirtschaftlich, das etwas klimaschonendere Erdgas erlebte
eine Renaissance. Seither hat sich diese Dynamik durch die stark gestiegenen
Erdgaspreise allerdings umgekehrt.
Kurzfristig lässt sich kaum vermeiden, dass die Kohle in Zeiten knappen Erdgases
an Marktanteilen gewinnt. Mittelfristig jedoch muss die Politik durch Verknappung
der CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandel und durch den beherzten Ausbau
der erneuerbaren Energien verhindern, dass es zu einer dauerhaften Kohle-Renaissance
bei der Stromerzeugung kommt.
Ein Artikel zu den Kosten
der fossilen und erneuerbaren Stromerzeugung ist hier zu finden. Mehr zu den Umweltkosten fossiler
Energien steht hier.
Bis hierhin war vor allem von der Stromerzeugung die Rede. Doch auch in den anderen Sektoren zeigt
ein CO2-Preis Wirkung – zum Beispiel bei der Gebäudeheizung. Dort kosten der Ausbau bestehender
Fernwärmenetze und der Einbau von Wärmepumpen statt Gasheizungen in Neubauten deutlich unter 100
Euro pro eingesparter Tonne CO2-Emissionen. Steigt der CO2-Preis also in diese Höhe, werden die
Maßnahmen wirtschaftlich.
Das belegen auch Erfahrungen aus der Schweiz: In unserem Nachbarland hat die CO2-Steuer von derzeit
96 Franken/Tonne dazu geführt, dass in Neubauten kaum noch fossile Heizungen installiert werden.
Ihr Marktanteil liegt dort unter 10%. In Deutschland waren es 2019 noch knapp 40%.
Ein CO2-Preis lässt sich in Form einer Steuer erheben oder durch einen Emissionshandel. Beide Optionen
verfolgen das gleiche Ziel, die CO2-Einsparung. Ihre Funktionsweise unterscheidet sich jedoch deutlich.
Bei der CO2-Steuer legt der Staat die Höhe des Preises fest. Wieviel CO2 dann im Land ausgestoßen wird,
lässt sich nicht genau vorhersagen. Es hängt unter anderem von der technischen Entwicklung, vom
Konsumentenverhalten und von der Konjunkturentwicklung ab. Will man also mit einer CO2-Steuer ein
bestimmtes Emissionsziel erreiche, muss die Steuerhöhe regelmäßig nachjustiert werden. Das praktiziert
zum Beispiel die Schweiz seit Jahren mit ihrer CO2-Steuer im Wärmesektor.
Beim Emissionshandel ist es genau anders herum. Hier gibt der Staat - oder im europäischen Emissionshandel
die EU - die Menge der Emissionen vor, die in einem bestimmten Zeitraum ausgestoßen werden dürfen. Nach
dieser Vorgabe richtet sich die Menge der Emissionszertifikate, die an Unternehmen und Kraftwerksbetreiber
ausgegeben (sprich: versteigert oder verschenkt) werden. Jedes Zertifikat entspricht dem Recht, eine Tonne
CO2 auszustoßen. Der Preis für die Zertifikate bildet sich dann „im Markt“ – zum einen bei der Versteigerung
und zum anderen dadurch, dass die Unternehmen die Zertifikate untereinander handeln können.
Zu den jeweiligen Vor –und Nachteilen dieser Optionen haben wir einen eigenen Beitrag in diesen FAQs
veröffentlicht.
Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Entscheidender als die Alternative „CO2-Steuer oder Emissionshandel“
ist die konkrete Ausgestaltung des Systems und die übergeordnete Klimapolitik, in die es eingebettet ist. Die EU
hat sich zum Beispiel früh auf einen Emissionshandel als ihre Methode der CO2-Bepreisung festgelegt. Auch die
Bundesregierung hat mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 im Herbst die Weichen in diese Richtung gestellt. Selbst
wenn man das wollte, wäre es in beiden Fällen aufwändig, jetzt komplett zu einer CO2-Steuer umzuschwenken.
Für den Emissionshandel hatte die EU übrigens gute Gründe. Denn bei einem Emissionshandel wird die Menge der
„erlaubten“ CO2-Emissionen politisch festgelegt. Danach richtet sich die Zahl der Emissionszertifikate, die
verteilt oder versteigert werden. Weil die Menge der Emissionen von vornherein feststeht, lässt sich ein
Emissionshandel leichter auf langfristige Emissionsziele oder auf ein CO2-Budget abstimmen.
Ein Nachteil eines Emissionshandels liegt darin, dass die Höhe des Zertifikatepreises (und damit des
CO2-Preises) abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung stark schwanken kann. Damit haben Unternehmen,
die an dem Handel teilnehmen, weniger Kalkulationssicherheit. Dem lässt sich entgegenwirken, in dem man z.B.
einen Mindestpreis im Emissionshandel einführt oder sogenannnte
„Carbon Contracts for Difference“ nutzt. Das
sind Verträge, in dem der Staat Unternehmen für die Zukunft bestimmte CO2-Preise garantiert (die sinnvollerweise
höher sind als heute, aber durch die Garantie kalkulierbar werden). Liegt der reale Preis höher als im Vertrag
festgelegt, zahlt der Staat die Differenz. Liegt er niedriger, muss das Unternehmen den Differenzbetrag an den
Staat zahlen.
Bei der CO2-Steuer wird dagegen die Höhe des CO2-Preises politisch festgesetzt. Dafür hat man keine direkte
Kontrolle über die Menge an CO2-Emissionen, die entstehen. Um also ein bestimmtes Emissionsziel zu erreichen
oder ein CO2-Budget einzuhalten, muss die Höhe der CO2-Steuer regelmäßig nachjustiert werden. Dazu ist nicht
jedes Mal ein politischer Beschluss notwendig; die Erhöhung kann auch automatisch erfolgen, wenn mehr CO2
ausgestoßen wird als ursprünglich erhofft. Diesen Weg verfolgt zum Beispiel die Schweiz, wo die CO2-Abgabe
auf fossile Brennstoffe mittlerweile auf 96 Franken je Tonne gestiegen ist.
Kurzfristig haben Unternehmen bei einer CO2-Steuer sicher mehr Kalkulationssicherheit als beim Emissionshandel.
Langfristig relativiert sich dieser Vorteil jedoch durch die Unsicherheit, ob und wie weit die Steuer steigen
wird.
Eine häufige Kritik am Emissionshandel lautet, dass dieser Missbrauch fördert. Tatsächlich gab es in der
Frühzeit des EU-Emissionshandels groß angelegte Betrugsfälle und Schlupflöcher, die nach und nach geschlossen
wurden. Diesen Nachteil hat der Emissionshandel jedoch nicht exklusiv für sich: Dass auch Steuern für Betrügereien
anfällig sind, belegt die schier endlose Liste der Steuerskandale aus den letzten Jahren – von Cum-Ex bis zu den
„Panama Papers“.
Ein CO2-Preis sorgt dafür, dass CO2-Emissionen dort eingespart werden, wo es am wenigsten kostet. Das gilt aber
nur, solange der CO2-Preis überall – also in der Industrie, im Verkehr, in der Stromerzeugung und bei der
Gebäudeheizung – gleich hoch ist.
Außerdem können bei unterschiedlich hohen CO2-Preisen Anreize in die falsche Richtung entstehen. Zum Beispiel
ist es für das Klima sinnvoll, Häuser mit strombetriebenen Wärmepumpen zu beheizen statt mit Erdgas. Das gilt
umso mehr, je mehr sich die Stromversorgung in Deutschland dekarbonisiert, also fossile Kraftwerke vom Netz
gehen.
Wenn nun aber der CO2-Preis im Stromsektor sehr hoch und im Wärmesektor sehr niedrig ist, hat eine (mit dem
Durchschnitts-Strommix betriebene) Wärmepumpe einen Nachteil gegenüber der Gasheizung. Hauskäufer könnten
daher eher geneigt sein, sich eine Gasheizung in den Keller zu stellen als die Wärmepumpe.
Generell gilt: Je höher der CO2-Preis, desto weniger zusätzliche Vorschriften, Förderprogramme und
Subventionen braucht es, um eine bestimmte Menge an CO2-Emissionen einzusparen. Umgekehrt heißt das
aber auch: Je weniger dieser zusätzlichen Maßnahmen es gibt, desto höher muss der CO2-Preis sein, um
eine bestimmte Klimawirkung zu erzielen.
Langfristig macht es Sinn, auf den CO2-Preis als zentrales Instrument der Klimapolitik zu setzen. Denn
er sorgt dafür, dass Emissionen dort eingespart werden, wo das am kostengünstigsten möglich ist. Damit
wir die Klimaziele von Paris einhalten, wird er aber noch deutlich steigen müssen. Vorerst ist es daher
sinnvoll, wenn EU und Bundesregierung auch andere, etablierte Maßnahmen weiterverfolgen. Dazu gehören
z.B. die EU-Flottengrenzwerte bei Autos, die EU-Effizienzrichtlinie oder die Förderprogramme für
Gebäudesanierung in Deutschland.
Förderprogramme, Subventionen und Vorschriften machen vor allem dort Sinn, wo
die CO2-Vermeidungskosten besonders hoch sind, z.B. im Verkehr,
Technologien noch nicht ausgereift (und damit kostengünstig) genug sind, um sich aus eigener Kraft am Markt behaupten zu können,
Technologien zwar langfristig viel CO2 einsparen, aber in der Anschaffung sehr teuer sind,
Menschen bei Investitionen und Konsum nicht nach rein ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden.
Letzteres ist in den allermeisten Bereichen des Privatlebens der Fall: Wirtschaftlich und ökologisch
sinnvolle Gebäudesanierungen werden nicht durchgeführt, weil man Dreck und Baustellenlärm scheut. Beim
Autokauf spielt nicht nur der Spritverbrauch eine Rolle, sondern auch das Statusversprechen des Autos.
Und Bequemlichkeit ist einer der größten Treiber für ökonomisch unsinnige Kaufentscheidungen überhaupt.
Deswegen braucht es gerade für private Verbraucher auch weiterhin Förderprogramme, Informationskampagnen
und in manchen Fällen auch Vorschriften, um klimaschonende Investitionen und klimafreundlichen Konsum
voranzubringen.
Sozialer Ausgleich und Klimadividende
Ein CO2-Preis ist nicht in erster Linie dazu da, dem Staat zusätzliche Einnahmen zu bescheren oder gar
Haushaltslöcher zu stopfen. Und selbst wenn sich mit diesem Geld Förderprogramme für erneuerbare Energien,
Gebäudedämmung und effiziente Haushaltsgeräte finanzieren ließen, raten wir eher davon ab. Solche Programme
sollte der Staat aus anderen Quellen finanzieren.
Warum? Weil Deutschland und Europa im Klimaschutz nicht das tun, was sie laut dem Pariser Klimavertrag tun
müssten, wird der CO2-Preis in den nächsten Jahren stark steigen müssen. Das führt jedoch zu steigenden Kosten
für BürgerInnen und Unternehmen. Für manche von ihnen könnten diese untragbar werden. Daher schlagen wir vor,
den Menschen das Geld, das der Staat durch den CO2-Preis einnimmt, in pro Kopf gleicher Höhe zurückzuerstatten –
als Klimadividende. Diese Lösung wäre einfach, transparent und gerecht - und die gefühlte Gerechtigkeit ist
Umfragen zufolge maßgeblich dafür, ob die BürgerInnen einen CO2-Preis akzeptieren. Zu Sinn und Funktion der
Klimadividende haben wir in diesen FAQs einen eigenen Beitrag veröffentlicht.
Der Klimadividende liegt die Überlegung zugrunde, dass der Staat die Einnahmen aus einem CO2-Preis den
Bürgern zurückgeben sollte. Nur so lässt sich auch bei sehr hohen CO2-Preisen, wie wir sie früher oder
später für den Klimaschutz brauchen werden, die Akzeptanz der BürgerInnen sichern.
Eine denkbar einfache Lösung wäre, jedem Bürger und jeder Bürgerin am Jahresende den gleichen Betrag
zurückzuerstatten. Wer wenig CO2 ausgestoßen hat, erhält dann mehr zurück, als er im Jahresverlauf an
der Tankstelle, auf der Stromrechnung und im Supermarkt für den in den Energie- und Warenpreisen
enthaltenen CO2-Preis entrichtet hat. Wer viel ausstößt, zahlt unter dem Strich drauf. Im Durchschnitt
der Gesamtbevölkerung hätten die BürgerInnen genau so viel Geld in der Tasche wie ohne CO2-Preis und
Klimadividende. Aber für den Klimaschutz ergäbe sich ein positiver Effekt. Denn, wie schon erwähnt:
Der CO2-Preis verteuert all das in unserem Leben, was mit hohem CO2-Ausstoß verbunden ist, und macht es
dadurch unattraktiv. Klimaschonende Produkte und Dienstleistungen werden dagegen nicht oder kaum teurer.
Das ist auch dann noch so, wenn man den CO2-Preis mit einer Klimadividende verbindet.
Die Kombination „CO2-Preis plus Klimadividende“ wäre auch sozial gerecht, weil Geringverdiener in der
Regel einen geringeren CO2-Ausstoß haben als der Bevölkerungsdurchschnitt. Das zeigt unter anderem das
folgende Schaubild. Darin bedeuten positive Werte eine Entlastung, negative dagegen eine zusätzliche
Belastung der jeweiligen Haushalte. Für die Berechnung wurde ein CO2-Preis von 30 Euro/Tonne angenommen.
Verteilungseffekt eines CO2-Preises von 30€/t für Wärme und Verkehr in Verbindung mit einer Klimadividende
Grafik: eigene Darstellung nach FÖS 2018
Auch andere ExpertInnengremien heben die sozialen Vorzüge einer Klimadividende hervor, u.a.:
• Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
• und das Umweltbundesamt (UBA).
Laut der Studie des UBA stellt die Klimadividende „gewissermaßen eine Basisabsicherung gegen
soziale Härten dar. Haushalte mit hohen Einkommen werden dagegen in der Regel netto belastet.“
Darüber, wie der Staat den BürgerInnen die Einnahmen aus dem CO2-Preis zurückgeben
sollte, wurde in den letzten Jahren viel diskutiert. Ein unkomplizierter und
kosteneffizienter Weg wäre die Auszahlung über die Familienkassen.
Ein Team von ForscherInnen des Mercator Research Institute on Global Commons
and Climate Change hat diese in einer Studie näher untersucht und schreibt dazu:
“Eine direkte Pro-Kopf-Rückerstattung als Überweisung durch die Familienkassen
birgt dabei aufgrund der geringeren erwarteten Kosten und der größeren
Sichtbarkeit einige Vorteile gegenüber einer Krankenversicherungsumlage
oder Verrechnung mit der Lohnsteuer durch die Arbeitgeber:innen.
Zudem ist eine monatliche Ausschüttung aus verhaltens-ökonomischer Sicht
einer jährlichen Zahlung vorzuziehen, da sie die Mehrbelastung durch die
CO2-Bepreisung und die Entlastung zeitlich zusammenbringt und von den
Empänger:innen eher als regelmäßiger Ausgleich für gestiegene Kosten
wahrgenommen wird.“
Wie genau die Rückerstattung vonstatten geht, hat unser Aktiver Boris
Konopka auf seinem Klimablog erläutert: Zunächst wird aufbauend auf der
Steuer-ID ein zentrales Register aller Empfangsberechtigten geschaffen.
Dieses ist bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) angesiedelt. Die
Auszahlung läuft dann über die Familienkassen der BA, die auch über
die erforderliche IT-Infrastruktur verfügt. Die Zahlungen können als
separate Überweisungen erfolgen, was die Sichtbarkeit der Klimadividende
erhöht.
Um eine lückenlose Erfassung aller BürgerInnen sicherzustellen, müssten
die Deutsche Rentenversicherung und das Bundesamt für Steuern ihre
Datenbestände an die BA melden. Weitere rund 8 Millionen BürgerInnen
müssten einen Antrag auf Auszahlung stellen, da sie bisher bei keiner
der drei Stellen namentlich erfasst sind.
Grafik: Boris Konopka 2021/2022
Die Schweiz erhebt seit 2008 eine nationale Abgabe auf fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Sie beträgt
derzeit 96 Schweizer Franken pro Tonne CO2. Von den Einnahmen aus der Abgabe werden zwei Drittel an die Bevölkerung
und die Wirtschaft zurückerteilt. Das restliche Drittel fließt in ein Programm zur Förderung der energetischen
Gebäudesanierung und in einen Technologiefonds.
Die Erträge aus der Abgabe werden im gleichen Jahr verteilt, in dem sie anfallen. Dabei gilt das Prinzip
getrennter Geldflüsse: Einnahmen aus der CO2-Abgabe, die aus Privathaushalten stammen, fließen auch wieder
an Privathaushalte zurück. Für die Rückerstattung an die Unternehmen werden dagegen die Einnahmen verwendet,
die der Staat durch die CO2-Abgabe der Wirtschaftsunternehmen hat.
Bei den Privathaushalten bekommen alle Personen, die in der Schweiz wohnen, unabhängig vom CO2-Ausstoß oder
Einkommen den gleichen Betrag zurückerstattet. Um das Ganze handhabbar zu machen, wird die Rückerstattung mit
den Krankenkassenbeiträgen der EinwohnerInnen verrechnet. Vorteil dieses Systems: Alle Menschen im Land sind
krankenversichert und die Krankenkassen besitzen daher das aktuellste Adressenverzeichnis aller Personen in
der Schweiz. Auf diese Weise wird der Verwaltungsaufwand minimiert. Nachteil: Die Rückerstattung ist nur wenig
sichtbar. Bei einer Umfrage gab weniger als ein Viertel der SchweizerInnen an, dass sie von der Rückerstattung
überhaupt Notiz genommen hätten.
Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe, die aus der Wirtschaft stammen, werden an alle Arbeitgeber, proportional
zur abgerechneten Lohnsumme ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurückverteilt. Das soll unter dem Strich
diejenigen Unternehmen begünstigen, die viele Menschen beschäftigen und daher eine hohe Lohnsumme haben.
Ein großer Teil der Einnahmen aus dem CO2-Preis fließt momentan in die Senkung der EEG-Umlage.
Damit will die Bundesregierung vor allem zweierlei erreichen: die BürgerInnen finanziell
entlasten und die
Sektorenkopplung voranbringen.
Doch die Senkung der EEG-Umlage ist nicht optimal – weder für die soziale Gerechtigkeit noch
für den Klimaschutz, wie zuletzt mehrere Studien belegt haben.
Das Mercator Research Institute (MCC) etwa vergleicht in einem
Arbeitspapier einige der
meistdiskutierten Optionen zur Entlastung der BürgerInnen auf ihre Verteilungsgerechtigkeit – darunter
auch die Senkung der EEG-Umlage und die Klimadividende. Zugrunde gelegt wurde in der Studie
ein CO2-Preis von 50 Euro je Tonne.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Klimadividende gerade für GeringverdienerInnen optimal ist.
Als einzige Lösung bringt sie den ärmeren 40% der Bevölkerung unter dem Strich eine Entlastung
gegenüber dem Status quo vor der Einführung des CO2-Preises. Und das, obwohl in der
Modellrechnung des MCC nur die Einnahmen rückverteilt wurden, die der Staat aus den direkten
CO2-Kosten der Haushalte erhält. Das Geld aus dem CO2-Preis, den Industrie und Gewerbe zahlen,
bleibt in der Betrachtung außen vor.
Die Grafik unten zeigt dies deutlich: Bei der Senkung der EEG-Umlage erhalten Privathaushalte
weniger Geld zurück, als die über den CO2-Preis bezahlt haben (grüne Balken). Industrie und
Gewerbe (blau) profitieren dagegen. Außerdem kostet die Senkung der EEG-Umlage (Mitte) den
Staat deutlich mehr als die Klimadividende (rechts).
Einnahmen und Ausgaben bei einem nationalen CO2-Preis von 50€/Tonne.
Grafik: Bürgerlobby Klimaschutz; Datenquelle: Mercator Research Institute
Auch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft nimmt die Senkung der EEG-Umlage in einer
Studie
kritisch unter die Lupe. Ihr zufolge ist die Kritik an überhöhten Strompreisen in Deutschland
unberechtigt: Die Belastung privater Haushalte durch Stromkosten liegt im europäischen Durchschnitt,
wenn man gleichzeitig die Kaufkraftunterschiede betrachtet. Und die Energiestückkosten der Industrie
liegen sogar unter dem EU-Durchschnitt. Wer die Sektorenkopplung in Deutschland voranbringen will,
sollte dies laut FÖS lieber über gezielte Fördermaßnahmen etwa für Elektroautos, Ladesäulen und
Wärmepumpen tun. Denn die Senkung der EEG-Umlage verschlingt viel Geld. Insgesamt sind es 2021
rund 10,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In die energetische Gebäudesanierung fördert die
bundeseigene KfW-Bank im gleichen Zeitraum nur mit 5,8 Mrd. € und die Zuschüsse für die
Ladeinfrastruktur betragen 2021 nur 0,8 Mrd. €. Überdies könnte die Senkung der EEG-Umlage
den Bemühungen um Energieeffizienz zuwiderlaufen, weil sie den Strompreis senkt.
Insgesamt schlussfolgern die FÖS-WissenschaftlerInnen in ihrer Studie: „Die Senkung der EEG-Umlage
ist eine sehr kostspielige Politikmaßnahme, deren soziale und ökologische Auswirkungen nach dem
Gießkannenprinzip wirken. Mit den gleichen Finanzmitteln könnten andere Maßnahmen stärker auf die
Ziele Klimaschutz und Minderung von sozialer Ungleichheit einzahlen.“
Wie wirkt sich ein CO2-Preis von 25 € in Verbindung mit einer
Klimadividende auf beispielhafte Haushalte aus?
Wähle ein Beispielprofil aus:
DURCHSCHNITTSBÜRGER
FAMILIE
GERINGVERDIENER
BESTVERDIENER
ERGEBNISSE*
DIVIDENDE
250 €
Dies ist der Betrag, der als
Klimadividende ausgezahlt wird.
CO2-KOSTEN
250 €
Dies sind die Kosten, die durch den CO2-Fußabdruck dieses
Beispielprofils bei einem CO2-Preis von 25 € maximal entstehen.
BILANZ
0 €
Das ist die Bilanz aus
Kosten und Dividende.
*Für obige Berechnungen haben wir folgende beispielhaften Werte verwendet,
die das Prinzip CO2-Preis mit Klimadividende in vereinfachter Form darstellen
Exemplarische Daten
CO2-Preis: 25 € je Tonne CO2
Pro-Kopf-Emissionen
Durchschnittsbürger Deutschland
10 t CO2
Familie mit 4 Personen
7 t CO2
Geringverdiener
5 t CO2
Bestverdiener
30 t CO2
Formeln
Klimadividende pro Kopf = CO2-Preis * CO2-Emissionen Deutschland / Anzahl Bürger = CO2-Preis * Pro-Kopf-Emissionen Deutschland = 25 € * 10 t = 250 €
Klimadividende Haushalt = Klimadividende pro Kopf * Anzahl Personen im Haushalt
CO2-Kosten Haushalt = CO2-Preis * Pro-Kopf-Emissionen Haushalt * Anzahl Personen im Haushalt
Dies sind nur pauschalisierte Zahlen. Wir haben viele Informationen dazu
und einen ausführlichen CO2-Preis-Rechner erstellt, bei dem man
auch viele Einstellungen vornehmen kann, um individualisierte Berechnungen
anzustellen.
Der deutsche CO2-Preis und das Brennstoffemissionshandelsgesetz
Mit ihrem
Klimaschutzprogramm 2030
hat die Bundesregierung den Einstieg in einen nationalen Emissionshandel
für die Sektoren Gebäude und Verkehr beschlossen. Es ist allerdings ein Einstieg mit Umwegen: Die
Emissionszertifikate werden in den ersten fünf Jahren – von 2021 bis 2025 – zum Festpreis ausgegeben.
Ihre Gesamtmenge ist in diesem Zeitraum nicht begrenzt. Auch 2026 soll noch ein sogenannter „Preiskorridor“
gelten, d.h. bei der Versteigerung der Zertifikate durch den Staat ist der Preis nach oben und unten hin
begrenzt.
Da der Bundesrat Teilen des Klimapakets laut Verfassung zustimmen musste, wurden die Zertifikatpreise für
die ersten Jahre im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat im Dezember 2019 nochmals angehoben.
Die Tabelle unten zeigt die Preise vor und nach der Nachverhandlung im Vermittlungsausschuss.
Am nationalen Emissionshandel nehmen nicht die EndverbraucherInnen teil und auch nicht einzelne Gewerbe-
und Handwerksbetriebe, sondern Händler und Importeure fossiler Brennstoffe sowie Raffinerien. Insgesamt
sind rund 4000 Unternehmen deutschlandweit zur Teilnahme an dem Handel verpflichtet. Diese Unternehmen
wollen auf den Mehrkosten durch den CO2-Preis natürlich nicht „sitzen bleiben“ und schlagen diese daher
auf den Preis ihrer Produkte auf. Auf diesem Weg bezahlen am Ende die VerbraucherInnen den CO2-Preis,
weil Heizöl, Erdgas und Benzin teurer werden.
Das Geld, das der Staat durch den Verkauf der Zertifikate einnimmt, fließt in den Klima- und Transformationsfonds
der Bundesregierung (KTF). Daraus finanziert der Staat unter anderem die Senkung der EEG-Umlage sowie die
Förderprogramme für die Gebäudesanierung und den Ausbau der Elektromobilität, aber auch Dekarbonisierungsmaßnahmen
in der Industrie.
Die Bürgerlobby
Klimaschutz setzt sich stattdessen für eine Rückverteilung als Klimadividende ein. Wir glauben, dass
dies insbesondere bei den künftig notwendigen, stark steigenden CO2-Preisen die beste Verwendung der
Mittel ist.
Ursprünglich war geplant, den CO2-Preis zwischen 2021 und 2025 schrittweise von
anfangs 25 €/Tonne auf 55 €/Tonne zu steigern. Ab 2026 sollten die CO2-Zertifikate
dann versteigert werden. Im ersten Jahr sollte dabei jedoch ein „Preiskorridor“ von
55-65 €/t gelten, der den Preis nach oben und unten hin begrenzt.
Im Rahmen des dritten Entlastungspakets vom September 2022 hat die Bundesregierung
beschlossen, die für 2023 geplante Anhebung des CO2-Preises entfallen zu lassen.
Alle folgenden Preissteigerungen sollen nun ein Jahr später stattfinden. Damit
konterkariert die Regierung nicht zum ersten Mal ihre Ziele beim Klimaschutz.
Der neue Zeitplan sieht nun wie folgt aus.
Wie unsinnig dieses Herauszögern ist, zeigt sich, wenn man den CO2-Preis auf die Endkundenpreise
der unterschiedlichen Energieträger umrechnet. Die folgende Tabelle zeigt, wie stark sich
unterschiedliche fossile Energieträger dadurch verteuern. Diese Preissteigerungen betragen
nur einen Bruchteil der gestiegenen Kosten infolge des Ukraine-Kriegs:
Das Geld fließt in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes.
Für diesen plant die Regierung 2023-2026 mit einem Gesamt-Finanzvolumen von rund 134,3
Milliarden Euro.
Rund 65% des Geldes soll in den nächsten drei Jahren in Klimaschutzmaßnahmen fließen –
allen voran in der Industrie und bei der Gebäudesanierung. Nur etwa 35% der Mittel
fließen in die Entlastung der BürgerInnen, über die Abschaffung der EEG-Umlage.
So, wie der deutsche CO2-Preis ausgestaltet ist, wird er zumindest in den Anfangsjahren kaum etwas
zur Verringerung der CO2-Emissionen in Deutschland beitragen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
(DIW) schätzt, dass die Emissionen 2021 durch den CO2-Preis von dann 25 €/Tonne nur um gut 1% sinken. Selbst
bei einem Preis von 65 €/Tonne, wie wir ihn möglicherweise Ende der 20er-Jahre haben werden, wären es
lediglich 8%. Zur Erinnerung: Legt man das noch verfügbare CO2-Budget zugrunde müsste Deutschland seine
Emissionen eigentlich ab sofort um mehr als 5% pro Jahr senken, also bis 2030 um rund 50%!
Der ab 2027 geplante EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr hat dagegen zumindest das Potenzial, für eine
Einhaltung der Sektorenziele in diesen Bereichen zu sorgen. Dafür muss er aber ohne Gratiszertifikate und
sonstige „Schlupflöcher“ ausgestaltet werden. Und es braucht den politischen Willen, ihn auch bei sehr hohen
CO2-Preisen weiterlaufen zu lassen.
In seiner momentanen Ausgestaltung hat der nationale Emissionshandel nicht nur ökologische, sondern
auch soziale Nachteile. Das liegt weniger am Emissionshandel selbst. Sondern vor allem an der
Art und Weise, wie die Bundesregierung das eingenommene Geld verwenden will. Das hat sie im Sommer
2022 in ihrem Wirtschafts- und Finanzplan
für den Klima- und Transformationsfonds festgelegt.
65% davon fließen demzufolge in Einzelmaßnahmen, etwa zur Förderung der Gebäudesanierung, den
Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft oder die Dekarbonisierung der Industrie. Mit den übrigen 35%
will der Staat die Absenkung der EEG-Umlage gegenfinanzieren. Diese Maßnahme senkt zwar auch für
ärmere BürgerInnen die Stromrechnung,
aber eben nicht nur für sie: Auch Unternehmen profitieren von der sinkenden EEG-Umlage. Außerdem
haben reichere Haushalte meist einen höheren Stromverbrauch und profitieren damit überproportional
von der Absenkung der EEG-Umlage.
In der Summe, so eine Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, haben die im
Klimaschutzprogramm 2030 festgeschriebenen Maßnahmen eine leicht regressive Verteilungswirkung.
Das heißt: Gemessen am verfügbaren Haushaltseinkommen werden
ärmere Haushalte stärker belastet als reichere.
Sozial gerechter wäre es laut
Berechnungen des Mercator-Instituts,
wenn man den
BürgerInnen das Geld einfach per Klimadividende zurückerstatten würde.
Doch ganz egal, wie man das Geld verwendet, eine Herausforderung bleibt: Vor allem bei den ärmeren
Haushalten gibt es eine enorme Streubreite. Einige werden spürbar entlastet, andere müssen erheblich
mehr Geld zahlen. Das hängt unter anderem davon ab, ob die Menschen auf das Auto angewiesen sind oder
nicht, und ob sie in einer kleinen Neubauwohnung leben oder in einem großen, schlecht gedämmten Haus,
womöglich sogar mit Ölheizung.
Experten empfehlen daher, ärmeren Pendlern und Altbaubewohnern gezielt unter die Arme zu greifen, um
die finanzielle Last durch den CO2-Preis zu lindern. Das wäre allemal besser als die viel kritisierten
Erhöhung der Pendlerpauschale für Fernpendler, mit der die Bundesregierung einen Teil der Mehrbelastung
durch den CO2-Preis kompensieren will. Diese kommt nämlich überwiegend Besserverdienenden zugute, weil
vor allem sie es sind, die weite Pendelwege auf sich nehmen. Außerdem macht die höhere Pendlerpauschale
das Autofahren günstiger und verringert so den Anreiz für die BürgerInnen, ihren CO2-Ausstoß zu senken,
der von einem gut gemachten Emissionshandel ausgehen würde.
Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) – und damit der nationale CO2-Preis – betrifft nicht
nur die Emissionen aus Privathaushalten und dem Verkehr. Es gilt auch für Gewerbe-, Handels- und
Dienstleistungsunternehmen sowie für kleine Industriebetriebe, die nicht am EU-Emissionshandel
teilnehmen.
Das ist zumindest auf dem Papier so. Tatsächlich hat die Bundesregierung mit der Ende März 2021
beschlossenen Carbon-Leakage-Verordnung
große Teile des produzierenden Gewerbes von der CO2-
Bepreisung ausgenommen. Die Liste sogenannter beihilfefähiger Branchen umfasst 48
Industriesektoren und 13 sogenannte Teilsektoren – von der Zementherstellung bis zu Produzenten
von Backhefe und Milchpulver. Unternehmen, die in diesen Bereichen tätig sind, bekommen je nach
Sektor 60 bis 95% ihrer Kosten aus dem CO2-Preis erlassen – und zwar unabhängig davon, wie stark
sie davon tatsächlich finanziell betroffen sind.
ExpertInnen kritisieren das. So sagt etwa Carolin Schenuit, Geschäftsführerin des Forums Ökologisch-
Soziale Marktwirtschaft (FÖS): „Eine unternehmensbezogene Mindestschwelle ist entscheidend, um
gezielt tatsächlich emissionsintensive Unternehmen herauszufiltern. Die nun beschlossene pauschale
Entlastung schafft wieder eine Subvention nach dem Gießkannenprinzip. So werden auch
Unternehmen entlastet, die den CO2 -Preis voll bezahlen könnten und sollten.“
Und damit nicht genug, denn die Unternehmen profitieren gleichzeitig von der Absenkung der EEG-
Umlage, die aus dem „Klimapaket“ der Regierung finanziert wird. In diese Maßnahme
fließt ein Teil der Einnahmen aus dem nationalen CO2-Preis. Nach
Berechnungen des FÖS profitiert das
produzierende Gewerbe in Deutschland 2021 von dieser Entlastung mit 2,4 Milliarden Euro. Das ist
etwa sechsmal so viel wie die Kosten, die ohne die Carbon-Leakage-Verordnung durch den CO2-Preis
angefallen wären.
Dazu sagt Swantje Fiedler, wissenschaftliche Leiterin des FÖS: „Fossile Brennstoffe teurer, Strom
billiger: Das war die Idee hinter der Reform. Weitere Ausnahmen führen dazu, dass Unternehmen auf
Kosten der Allgemeinheit doppelt entlastet werden: Einmal durch die Senkung der EEG-Umlage und
ein weiteres Mal durch Ausnahmen vom CO2-Preis.“
EU-Klimapolitik und Emissionshandel
Bis 2030 will die EU ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 reduzieren. Diesen
Beschluss fasste der EU-Rat im Dezember 2020. Auch die EU-Kommission spricht sich für dieses Ziel aus, das
EU-Parlament plädiert sogar für eine Reduktion von 60%. Strittig ist außerdem noch die Frage, ob auch negative
Emissionen (etwa durch die CO2-Absorption in Wäldern oder Mooren) auf das Klimaziel angerechnet werden. EU-Rat
und EU-Kommission sind dafür, das Parlament dagegen. Wenn man diese Negativemissionen ausblendet, entspricht das
55%-Ziel der EU nur rund 52% „realen“ Emissionsminderungen bis 2030.
Bis 2050 will die EU dann völlig klimaneutral sein. Dafür werden nach Berechnungen der EU-Kommission zusätzliche
Investitionen von 175 bis 290 Milliarden Euro jährlich gebraucht. Dem gegenüber stehen Einsparungen, weil künftig
weniger fossile Brennstoffe importiert werden müssen. Sie könnten sich langfristig ebenfalls auf knapp 200
Milliarden Euro aufsummieren.
Die wichtigsten Instrumente der EU in der Klimapolitik sind
der EU-Emissionsrechtehandel (EU Emissions Trading System/EU ETS),
Im EU-Emissionshandel (EU Emission Trading System/EU ETS) sind die Treibhausgasemissionen aus Großkraftwerken,
großen Industrieanlagen und dem innereuropäischen Luftverkehr erfasst. Sie machen insgesamt rund 45% aller
EU-Emissionen aus. Wieviel davon pro Jahr eingespart werden müssen, legt die EU zentral fest.
Für die restlichen 55 % der Emissionen (Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft, Verkehr mit Ausnahme des
Luftverkehrs) gelten dagegen nationale Emissionsziele. Sie werden im Rahmen der sogenannten EU-Lastenteilung
(Effort Sharing) zwischen den EU-Mitgliedsländern ausgehandelt. Das soll sicherstellen, dass die Gesamtemissionen
nicht über das Limit ansteigen, das sich die EU gesetzt hat.
Derzeit sind in der Lastenteilung Emissionsziele bis 2030 festgeschrieben. Sie unterscheiden sich je nach
Wirtschaftskraft und derzeitigem Pro-Kopf-Ausstoß der einzelnen Länder. Wirtschaftsstarke Nationen wie Deutschland,
Frankreich und Österreich müssen ihre Emissionen stärker senken als die meisten osteuropäischen Länder.
Wenn sich die EU dazu entschließt, ihr Emissionsziel für 2030 zu verschärfen, würde das wohl in allen Bereichen
Konsequenzen haben. Der Emissionshandel müsste reformiert werden, um die Emissionen dort schneller zu senken,
und der Lastenausgleich wäre neu auszuhandeln. Für die Flottengrenzwerte und die Energieeffizienzrichtlinie hat
die EU-Kommission bereits angekündigt, dass sie weitere Verschärfungen anstrebt.
Am europäischen Emissionshandel beteiligen sich die (ab 2021) 27 EU-Mitgliedsländer sowie Großbritannien, die
Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein. Initiiert hat ihn die EU, weshalb er meist auch als „EU-Emissionshandel“
bezeichnet wird.
Seit seinem Start im Jahr 2005 hat der EU-Emissionshandel eine wechselhafte Geschichte hinter sich, die den Umfang
dieser FAQs bei weitem sprengen würde. Im Folgenden konzentrieren wir uns daher auf seine Ausgestaltung in der
sogenannten 4. Handelsperiode ab 2021. (Die erste Handelsperiode dauerte von 2005-2007, die zweite von 2008-2012
und die dritte von 2013-2020).
Einige Grundprinzipien sind jedoch seit 2005 konstant geblieben. Der EU-Emissionshandel ist ein sogenanntes
„Cap-and-Trade“-System. Dabei wird die Gesamtmenge der CO2-Emissionen (das Cap) vorab festgelegt und
anschließend eine entsprechende Menge an Emissionszertifikaten an die Teilnehmer des Emissionshandels
ausgegeben. Dabei entspricht ein Zertifikat der „Erlaubnis“, eine Tonne CO2 auszustoßen.
Um die europäischen Emissionsziele einzuhalten, sinkt das „Cap“ bisher jedes Jahr um
2,2%. Dieser Wert wird als Linearer Reduktionsfaktor bezeichnet. Zu den Teilnehmern des Emissionshandels
zählen Kraftwerke und große Industrieanlagen, seit 2012 auch Airlines, aber nur für den innereuropäischen
Flugverkehr. Momentan sind das insgesamt rund 10.000 Anlagen, die zusammen knapp die Hälfte der europäischen
(und etwa 5% der weltweiten) CO2-Emissionen verursachen.
Die Vergabe der Zertifikate übernehmen die einzelnen Teilnehmerländer. Welches Land wieviele Zertifikate
vergeben darf und auf welche Weise diese an die einzelnen Marktteilnehmer verteilt werden, ist in den
sogenannten „Nationalen Allokationsplänen“ festgeschrieben. Die Vergabe kann entweder durch kostenlose
Zuteilung erfolgen oder dadurch, dass die einzelnen Länder die Zertifikate an die Marktteilnehmer
versteigern. Während man in der Anfangsphase noch der größte Teil der Zertifkate kostenlos vergeben hat,
werden derzeit knapp 60% aller Zertifikate versteigert. Kostenlose Zertifikate gehen vor allem an
energieintensive Unternehmen, um zu verhindern, dass diese wegen der CO2-Preise ihre Produktion in
Länder außerhalb Europas verlagern (das sogenannte Carbon Leakage). Andere Industriebetriebe erhalten
derzeit nur noch rund 30% ihrer Zertifikate kostenlos. Für Kraftwerke gibt schon seit 2013 keine
Gratiszertifikate mehr, da sie nicht direkt mit außereuropäischen Unternehmen konkurrieren und damit
keinem Carbon Leakage-Risiko unterliegen.
Am Ende jedes Jahres müssen die Betriebe, die am Emissionshandel teilnehmen, für ihre Emissionen
ausreichend Zertifikate besitzen. Besitzen sie diese nicht, drohen hohe Strafzahlungen. Die Betriebe
haben also die Wahl, sich entweder gleich bei der Versteigerung durch den Staat mit ausreichend
Zertifkaten einzudecken oder diese später von anderen Unternehmen nachzukaufen. Für den Zertifikatehandel
zwischen den Unternehmen gibt es mehrere Handelsbörsen wie zum Beispiel die European Energy Exchange
(EEX) in Leipzig.
Lange war der CO2-Preis im EU-Emissionshandel extrem niedrig und das ganze System für den Klimaschutz
entsprechend nutzlos. Der Grund: Jahr für Jahr waren mehr Zertifikate ausgegeben worden, als die Unternehmen
benötigten – und weil die Zertifikate nicht verfielen, hatten die Unternehmen große Vorräte davon aufgebaut.
Um dem entgegen zu wirken, hat die EU 2019 die sogenannte Marktstabilitätsreserve eingeführt. Bis 2024
werden jährlich 24% der neu ausgegebenen Zertifikate in diese Reserve eingelagert, statt sie zu versteigern.
Diese und andere Mechanismen haben dazu geführt, dass der Zertifikatepreis in den letzten Jahren von 5 Euro
auf über 80 Euro pro Tonne CO2 gestiegen ist.
Ab 2023 soll ein Teil der Zertifikate in der Markstabilitätsreserve auch dauerhaft
gelöscht werden.
Langfristig strebt die EU mit der Marktstabilitätsreserve an, dass immer zwischen 400 und 833 Millionen
Zertifikate im Umlauf sind. Sinkt die Menge unter 400 Millionen, können die jährlichen Auktionsmengen auch
durch Zertifikate aus der Reserve aufgestockt werden, um den Anstieg des CO2-Preises zu dämpfen.
Voraussichtliche Zertifikatüberschüsse im EU-Emissionshandel 2018-2030 mit Marktstabilitätsreserve (MSR), in Millionen
Grafik: eigene Darstellung nach BMU 2018
Im Dezember 2022 hat die EU eine weitreichende Reform des EU-Emissionshandels beschlossen. Festgelegt wurde unter anderem:
• Die jährlich versteigerte Zertifikatemenge (Cap) soll stärker sinken – ab 2024
um 4,3 %/Jahr und dann ab 2027 um 4,4 %/Jahr. Bisher waren es nur 2,2 %/Jahr, also halb so viel.
• Außerdem wird das Cap zweimal zusätzlich gesenkt – 2024 um 90 Mio. t und 2026 um weitere
27 Mio. t. Das soll helfen die große Menge an Überschusszertifikaten, die sich immer noch im Markt befindet, zu senken.
Die Grafik unten verdeutlicht den Effekt der Reform. Dabei zeigt die blaue Linie die bisherige Planung.
Die grüne Linie verdeutlicht den Effekt der höheren jährlichen Absenkung (linearer Reduktionsfaktor).
Die gelbe Linie zeigt den nun beschlossenen, tatsächlichen Verlauf der Zertifikatemenge.
Noch entscheidender für den Klimaschutz ist die Gesamtmenge an Emissionen, die in den
Sektoren des Emissionshandels bis 2030 noch ausgestoßen wird. Auch sie wird nach der
Reform deutlich geringer ausfallen als bisher geplant:
Alles in allem werden die CO2-Emissionen in den Sektoren des EU-Emissionshandels bis 2030
um 62% gegenüber 2005 sinken. Nach bisheriger Planung wären es nur 42% gewesen.
Weitere Bestandteile der Emissionshandelsreform sind:
• Die Menge an Gratiszertifikaten, die die Industrie bisher erhält, soll bis 2034
schrittweise auf Null sinken. Die schrittweise Absenkung beginnt 2026.
• Stattdessen soll ab 2026 ein CO2-Grenzausgleich (vulgo: „CO2-Zoll“) für bestimmte
CO2-intensive Güter greifen, die in die EU importiert werden.
• Ab 2027 wird ein zweiter EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr eingeführt.
• Ein Klimasozialfonds
wird geschaffen. Er soll die Folgen hoher CO2-Preise in Europa für ärmere Haushalte abmildern.
Ende 2022 hat die EU beschlossen, ein neues zusätzliches und eigenständiges Emissionshandelssystem
für Gebäude und den Straßenverkehr zu schaffen. Dieser neue EU ETS 2 (EU Emissions Trading Scheme 2)
soll 2027 in Kraft treten und wird dann wohl den bisherigen deutschen Brennstoffemissionshandel
ablösen. Mit seiner Einführung wären dann 75% aller CO2-Emissionen in Europa mit einem Preis belegt.
Ähnlich wie beim bisherigen deutschen CO2-Preis würden nicht die Verbraucher selbst die Zertifikate
kaufen, sondern Importeure und Großhändler fossiler Brennstoffe. Man spricht daher von einer
„Upstream-Bepreisung“ von CO2-Emissionen.
Wie der bisherige EU-Emissionshandel funktioniert auch das neue System nach dem Prinzip „Cap and
Trade“: Jährlich versteigern die EU-Mitgliedsstaaten eine bestimmte Menge an CO2-Zertifikaten
(Cap). Diese Menge sinkt jährlich um einen bestimmten Prozentsatz (Linearer Reduktionsfaktor).
Ein vorab vereinbarter Schlüssel legt fest, welches Land wie viele Zertifikate versteigert.
Hinterher können die Zertifikate EU-weit gehandelt werden (Trade). Der Verteilungsschlüssel
zwischen den Ländern legt also nicht fest, wieviele Zertifikate in welchem Mitgliedsstaat „landen“.
Er beeinflusst nur, mit wieviel Versteigerungserlösen (und damit Einnahmen) die Länder rechnen können.
Der Lineare Reduktionsfaktor, also die jährliche Senkung der Zertifikatmenge, wird im EU ETS 2
zu Beginn bei 5,1% liegen, ab 2028 sogar bei 5,38%. Damit wird er höher ausfallen als im
„ersten“ EU-Emissionshandel (künftig 4,3% bz. 4,4%).
Weil die CO2-Emissionen bei Gebäuden und Verkehr
bisher aber nur langsam gesunken sind, haben diese Sektoren viel aufzuholen. Insgesamt werden
sie ihre Emissionen mit dem neuen Handelssystem daher bis 2030 nur um 43% gegenüber 2005 senken.
Beim ersten EU-Emissionshandel (EU ETS 1) für Industrie und Kraftwerke liegt
diese Zielmarke bei 62%.
Die Grafik unten zeigt die Einsparziele der unterschiedlichen Sektoren im Vergleich. Dabei
ist zu beachten, dass das offizielle EU-Ziel für sämtliche Emissionen zwar 55% betrifft,
dies jedoch gegenüber dem Basisjahr 1990. Das entspricht gegenüber 2005 einer ca.
51%-igen Einsparung.
Kostenlose Emissionsrechte sind im neuen Emissionshandel – anders als im EU ETS 1 -
nicht vorgesehen. Stattdessen greifen einige Sicherheitsvorkehrungen, um EU-BürgerInnen
vor den Auswirkungen hoher CO2-Preise zu schützen:
• Bei „außerordentlich hohen“ Energiepreisen wird die Einführung des Systems vom 2027
auf 2028 verschoben.
• Bei der Einführung des Systems werden 30 Mio. Emissionszertifikate zusätzlich
versteigert. Diese Zertifikatemenge wird dann von den Versteigerungsmengen der
Folgejahre abgezogen – die Gesamtmenge bis 2030 bleibt also gleich. Diesen
Mechanismus bezeichnet man als „Frontloading“, in Analogie zum „Backloading“,
das im EU-Emissionshandel
• Wenn der CO2-Preis im EU ETS 2 auf über 45 €/t steigt, werden weitere 20 Mio.
Emissionszertifikate zusätzlich versteigert, um den Preis zu dämpfen.
• Ein EU-weiter Klimasozialfonds soll ärmeren Haushalten unter die Arme greifen,
die besonders von hohen CO2- und Energiekosten betroffen sind. Neben direkten
Entlastungszahlungen werden daraus Maßnahmen etwa im Bereich des öffentlichen
Verkehrs und der Gebäudesanierung gefördert.
Den Klimasozialfonds betrachten ExpertInnen als nützliches Werkzeug. Mit 90 Mrd. €
dürfte er allerdings zu sparsam bemessen sein, um für wirklichen sozialen Ausgleich
zu sorgen. Die übrigen Sicherheitsvorkehrungen sind aus Sicht des Klimaschutzes
eher kritisch zu sehen. Es steht zu befürchten, dass sie die Wirksamkeit des
Systems aufweichen.
Der EU-Emissionshandel umfasst nur den Treibhausgasausstoß aus Kraftwerken, großen Industriebetrieben
und dem innereuropäischen Flugverkehr. Das sind ungefähr 45% aller Emissionen in der EU. Für die
restlichen 55%, die vor allem im Straßenverkehr, dem Gebäudesektor, der Land- und Abfallwirtschaft
entstehen, regelt die sogenannte EU-Lastenteilung (EU Effort Sharing), welcher EU-Mitgliedsstaat wie
viele Emissionen einsparen muss.
Dazu definiert die Lastenteilung Zielwerte, die sich je nach Wirtschaftskraft und Pro-Kopf-Emissionen
der einzelnen Länder voneinander unterscheiden. „Reichere“ Mitgliedsstaaten müssen mehr einsparen als
„ärmere“. Die Tabelle unten zeigt die Ziele für 2020 und 2030 als prozentuale Veränderungen gegenüber
dem Basisjahr 2005. Deutlich wird daraus, dass zahlreiche Länder ihren Treibhausgasausstoß bis 2020
sogar noch steigern durften. Das wird in den kommenden 10 Jahren nicht mehr der Fall sein.
Minderungsziele der EU-Mitgliedsstaaten für den Treibhausgasausstoß gegenüber dem Basisjahr 2005.
Die Lastenteilung definiert aber nicht nur Ziele für 2020 und 2030, sondern auch für jedes Jahr
dazwischen ein Treibhausgasbudget, das jedem Mitgliedsstaat zusteht. Hält ein Land das Budget in
einem bestimmten Jahr nicht ein, stehen ihm bestimmte Flexibilitätsoptionen zur Verfügung wie zum
Beispiel:
Es kann Emissionszuteilungen aus den Budgets vergangener Jahre nutzen, die es noch nicht
ausgeschöpft hat, oder Zuteilungen aus den Budgets der Folgejahre vorziehen („Banking and
Borrowing“). Diese Möglichkeit ist von 2021-2025 auf 10% seiner jährlichen Emissionen
begrenzt, von 2026-2029 dann auf 5%.
Es kann sich Emissionszuteilungen anderer Länder übertragen lassen, die diese nicht nutzen.
Dafür wird es in der Regel einen Preis zu zahlen haben. Auch diese Möglichkeit ist begrenzt –
von 2021-2025 auf 5% und von 2026-2029 dann auf 10% seiner Jahresemissionen.
Bisher haben die EU-Länder solche Flexibilitätsoptionen kaum genutzt, auch weil für viele von ihnen bis
2020 nur sehr laxe Einsparziele galten. Das könnte sich in den kommenden Jahren rapide ändern. Wenn aber
immer mehr Länder ihre Emissionsbudgets nicht einhalten, werden Staaten, die Emissionszuteilungen „übrig“
haben, sich diese fürstlich bezahlen lassen.
Wenn die CO2-Preise in Europa weiter steigen und in anderen Ländern nicht, haben energieintensive
Industriezweige einen Anreiz, ihre Produktionsstätten in Länder außerhalb Europas zu verlegen, da sie
auf diese Weise Kosten sparen. Der Fachausdruck hierfür lautet „Carbon Leakage“ – Europa bekäme also
ein „Kohlendioxid-Leck“. Für das Klima wäre damit nichts gewonnen, denn die Treibhausgase würden weiterhin
ausgestoßen – und in Europa gingen überdies Arbeitsplätze verloren.
Besonders anfällig für Carbon Leakage sind Industriesektoren, die einen großen Teil ihrer Gesamtkosten
für Energie ausgeben und die stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Dazu zählt vor allem
die sogenannte Grundstoffindustrie, also Stahl- und Metallverarbeiter, Chemieunternehmen, Zementhersteller
sowie die Papier- und Zellstoffindustrie.
Aus der Vergangenheit gibt es keine Belege, dass Carbon Leakage in Europa wirklich stattgefunden hat.
Allerdings waren die CO2-Preise im europäischen Emissionshandel auch lange Zeit sehr gering. Künftig
kann das Problem Carbon Leakage durchaus wichtig werden. Das Potsdamer
Mercator Research Institute
schätzt, dass ohne Gegenmaßnahmen 5 bis 19% der in Europa vermiedenen CO2-Emissionen anderswo auf der
Welt wieder „auftauchen“ würden.
Komplett vermeiden ließe sich Carbon Leakage nur, wenn überall auf der Welt der gleiche CO2-Preis g
elten würde. Das wird so bald nicht eintreten. Doch auch ohne diese Optimallösung können sich die
EU und Deutschland vor Carbon Leakage schützen.
Durch die kostenlose Vergabe von Emissionszertifikaten. In den letzten Jahren wurden
rund 40% aller Zertifikate gratis an die Unternehmen vergeben, statt sie zu
versteigern. Die folgende Grafik zeigt die momentanen Planungen für die Emissionsmenge bis 2030.
Die Menge an Gratiszertifikaten, die einem Unternehmen pro Jahr zusteht, ist in
EU-weit einheitlichen Zuteilungsregeln festgelegt.
Um sie für einen bestimmten Produkttyp zu ermitteln, multipliziert man drei Faktoren miteinander:
einen Zielwert (Benchmark) für das Produkt. Bisher hat die EU für 52 Produkte aus 21 Industriebranchen
Emissionszielwerte, sogenannte Benchmarks, festgelegt. Sie geben ungefähr an, wieviel Treibhausgase
die jeweils 10% energieeffizientesten Betriebe der Branche für die Herstellung einer bestimmten Menge
eines Produkts ausstoßen. Der Produktbenchmark wird in Tonnen CO2 pro Tonne Produktionsmenge angegeben.
Wenn es für ein Produkt kein Benchmark gibt, zieht man ersatzweise die Wärmemenge, die bei der Herstellung
entsteht, zur Bemessung des CO2-Benchmarks heran.
multipliziert mit
der jährlichen Durchschnittsmenge, die das Unternehmen in den letzten Jahren von diesem Produkt
hergestellt hat.
multipliziert mit
einem Faktor für das Carbon-Leakage-Risiko. Unternehmen mit hohen Energiekosten, die einem intensiven
internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, führt die EU auf einer sogenannten „Carbon-Leakage-Liste“.
Bei ihnen beträgt der Faktor 1,0. Das heißt, sie bekommen 100% ihrer Emissionen gratis, sofern sie den
Benchmark einhalten, also zu den 10% effizientesten Betrieben der Branche gehören. Tun sie das nicht,
müssen sie für den zusätzlichen Zertifikatebedarf bezahlen.
Für alle anderen Industrieunternehmen gilt derzeit ein Faktor von 0,3. Sie erhalten also 30% ihrer
Zertifikate gratis, wenn sie zu den 10% branchenweit effizientesten gehören. Bis 2030 soll der Faktor
für sie jedoch auf Null sinken.
Für Fluggesellschaften beträgt der Faktor im Moment 0,82, sie bekommen also 82% ihrer Zertifikate kostenlos.
Das folgende Schaubild verdeutlicht den komplexen Mechanismus bei der Gratiszuteilung.
Mechanismus bei der Gratiszuteilung im EU-Emissionshandel
Grafik: eigene Darstellung nach BMU 2018
Zur Erinnerung: Unter
Carbon Leakage versteht man die Abwanderung energieintensiver Unternehmen wegen hoher
CO2-Preise.
Der bisherige Mechanismus, mit dem sich die EU im Emissionshandel davor schützt, ist nicht optimal.
An seiner Stelle will die EU daher ab 2026 einen CO2-Grenzausgleich (englisch carbon border adjustment)
einführen. Dieser wird an der EU-Außengrenze greifen und soll für mehr Chancengerechtigkeit zwischen
Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU sorgen.
Ein idealer Grenzausgleich würde analog funktionieren wie die Mehrwertsteuer-Rückerstattung:
Wenn Importe von außerhalb in die EU gelangen, werden sie mit dem jeweils aktuellen
CO2-Preis aus dem EU-Emissionshandel belastet. Exporteuren wird dagegen der CO2-Preis
für ihre Güter zurückerstattet.
Dabei gibt es allerdings verschiedene Schwierigkeiten:
• Es ist immens aufwändig, für sämtliche Waren den „enthaltenen“ CO2-Preis zu ermitteln,
da dieser für alle Vorketten und Bestandteile einer Ware berechnet werden müsste.
• „CO2-Preis-Rabatte“ für Exporte widersprechen wahrscheinlich den derzeit gültigen
Regeln der Welthandelsorganisation WTO.
Aus diesem Grund hat man in der EU einen Kompromiss beschlossen:
• Zunächst gilt der CO2-Grenzausgleich nur für bestimmte Grundstoffe, deren CO2-Fußabdruck
leicht zu ermitteln ist. Dazu zählen zum Beispiel Stahl, Aluminium, Kunstdünger und Zement,
aber auch elektrischer Strom und Wasserstoff.
• Außerdem gilt der Grenzausgleich zunächst nur für Importe in die EU. Bis 2025 will die
EU-Kommission ein Konzept vorlegen, wie auch Exporte aus der EU vor Wettbewerbsnachteilen
auf ausländischen Märkten geschützt werden können.
Der Grenzausgleich wird an der EU-Außengrenze greifen. Dabei werden auch Importprodukte mit dem
jeweils aktuellen CO2-Preis aus dem EU-Emissionshandel belastet.
Für all diejenigen, die es genauer wissen wollen, noch ein Tipp: Einen guten Überblick über die Kriterien und
Ausgestaltungsoptionen eines CO2-Grenzausgleichs gibt
diese (englischsprachige) Studie.
Weitere Themen
Der weltweite Flugverkehr ist für 1,9% aller Treibhausgasemissionen und rund 3,5% des weltweiten Treibhauseffekts
verantwortlich. Dass die Treibhauswirkung größer ist als der Anteil an den Emissionen, liegt unter anderem daran,
dass der NOX-Ausstoß und die Kondensstreifen von Flugzeugen in großen Höhen die Erderwärmung zusätzlich antreiben.
Seit den 1980er-Jahren hat sich der CO2-Ausstoß des globalen Luftverkehrs in etwa verdoppelt und seit 1960 verdreifacht.
Die Transportleistung des Luftverkehrs, gemessen in Personenkilometern, ist seit 1960 jedoch um das 75-Fache gestiegen.
Das zeigt, dass die Branche heute durchaus viel effizienter mit fossiler Energie umgeht als vor 60 Jahren noch.
Entwicklung der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr in absoluten Zahlen (rot) und relativ zu den Gesamtemissionen weltweit (blau)
Grafik: OurWorldinData.org/CC-BY
Dennoch gilt der Flugverkehr als Problempunkt für den internationalen Klimaschutz. Denn bei seinen derzeitigen
Wachstumsraten wird es schwer fallen, ihn bis 2050 zu dekarbonisieren – also ganz ohne fossile Treibstoffe
auszukommen.
Den Löwenanteil im Luftverkehr machen übrigens Passagierflüge aus. Bezüglich der Flugdistanzen halten sich Kurz-,
Mittel- und Langstreckenflüge mit je einem Drittel Anteil an den Emissionen in etwa die Waage:
Aufteilung der Emissionen aus dem Flugverkehr
Grafik: OurWorldinData.org/CC-BY
Seit 2012 müssen Fluggesellschaften für Flüge innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR, bestehend
aus EU plus Großbritannien, Norwegen, Island und Liechtenstein)
Emissionszertifikate im europäischen Emissionshandel
erwerben. Für Flüge von und nach außerhalb des EWR gilt diese Verpflichtung nicht. Ebenso
wenig für Flüge, die außerhalb des EWR sowohl starten als auch landen.
Einen Teil ihrer Zertifikate erhalten die Airlines dabei gratis, über die sogenannte kostenlose Zuteilung im
Rahmen des EU-Emissionshandels. Die Menge der Gratiszertifikate entspricht 82% ihres Treibhausgasausstoßes aus
den Jahren 2004 bis 2006. Weil aber der Flugverkehr in den letzten Jahren stark gewachsen ist, bekamen die
Fluggesellschaften zwischen 2013 und 2017 de facto nur noch rund 55% ihrer Zertifikate gratis. Nach der letzten
Reform des EU-Emissionshandels 2018 waren es sogar nur noch 39%.
Viel geholfen hat der Emissionshandel in der Branche aber bisher nicht: Der Flugverkehr zählt zu den Branchen
mit den höchsten CO2-Vermeidungskosten überhaupt. Deshalb ist es für die Fluggesellschaften günstiger, fehlende
Zertifikate im EU-Emissionshandel dazuzukaufen, als ihren Treibhausgasausstoß zu reduzieren.
Für den weltweiten Flugverkehr - einschließlich aller Flüge, die nicht im EU-Emissionshandel erfasst
sind - strebt die internationale Luftverkehrsorganisation ICAO ein treibhausgasneutrales Wachstum ab 2020 an.
Das heißt: Egal, wie viele Flugzeuge künftig in der zivilen Luftfahrt wie weit fliegen – die Treibhausgasemissionen
sollen auf dem Stand dieses Jahres verharren. Mit technischen Mitteln allein ist das (bisher) nicht zu schaffen.
Deshalb sollen die Fluggesellschaften ihr Wachstum auch kompensieren können, indem sie Zertifikate aus
Emissionshandelssystemen kaufen oder Klimaschutzmaßnahmen außerhalb ihrer eigenen Branche finanzieren. So sieht
es das 2016 eingeführte
CORSIA-System
(Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) vor.
Das System beginnt 2021 mit einer freiwilligen Pilotphase, an der rund 80 Länder teilnehmen. Ab 2026 soll die
Teilnahme dann für alle Airlines aus den Unterzeichnerstaaten verpflichtend sein. Ausgenommen sind dabei allerdings
Inlandsflüge sowie Flüge von und nach einigen Entwicklungsländern, die nicht an CORSIA teilnehmen.
Das
Umweltbundesamt urteilt über CORSIA
wie folgt: „Aus Sicht des UBA ist CORSIA – insbesondere aufgrund seines
globalen Charakters – eine große Chance für mehr Klimaschutz im internationalen Luftverkehr, wenn die Regelung
weiterentwickelt wird. In seiner jetzigen Ausgestaltung ist CORSIA nur ein erster Schritt und nicht ausreichend
für die Erreichung des Paris-Ziels.“ Das liegt vor allem daran, dass das System nur Emissionen, die über das Niveau
von 2020 hinausgehen, erfasst. Rund 700 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr – das ist fast ein Viertel der
Gesamtemissionen von Deutschland – müssen die Airlines überhaupt nicht kompensieren.
Die Landwirtschaft ist der Sektor mit dem meisten Nachholbedarf in Sachen Klimaschutz. Von 1995 bis 2015 sanken
ihre Emissionen in Deutschland gerade einmal um magere 4% - selbst der viel gescholtene Verkehrssektor brachte
es in diesem Zeitraum auf knapp 10%.
In der Treibhausbilanz der Landwirtschaft schlagen – in absteigender Reihenfolge - vor allem drei Faktoren zu
Buche:
Mengenänderungen der ober- und unterirdischen Biomasse. Je mehr pflanzliche Biomasse auf Feldern,
Wiesen und in Wäldern steht, desto mehr Kohlenstoff ist darin gebunden. Reduziert man die Biomasse
(z.B. durch das Abholzen von Wäldern), entstehen dabei früher oder später unweigerlich CO2-Emissionen –
nämlich wenn die Biomasse verbrannt wird oder verrottet.
Methangasemissionen aus dem Verdauungstrakt von Tieren (in der Viehhaltung)
Lachgasemissionen aus Kunstdünger, der auf Ackerflächen ausgebracht wird.
Die Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsveränderungen und der Forstwirtschaft reguliert die EU ab
2021 in der sogenannten LULUCF-Verordnung. LULUCF steht für „Land Use, Land Use Change and Forestry“.
Die Verordnung verpflichtet alle EU-Mitgliedsländer, bei der Landnutzung eine ausgeglichene Treibhausbilanz
einzuhalten. Das heißt: Emissionen, die aus Ackerflächen und Grünland freiwerden, müssen im gleichen Zeitraum
rein rechnerisch durch bestehende oder (wieder)aufgeforstete Wälder absorbiert werden. Für Länder, die das
nicht schaffen, gibt es Flexibilitätsoptionen, die denjenigen in der
EU-Lastenteilung ähneln. Sie können
nicht angerechnete Negativemissionen aus den Vorjahren nutzen, Negativemissionen aus der Zukunft vorziehen
oder Negativemissionen aus anderen Ländern zukaufen.
Die LULUCF-Verordnung erfasst die Emissionen aber nur relativ ungenau über pauschalisierte Flächenwerte. Wie
die Flächen genau bewirtschaftet werden (konventionell oder im biologischen Landbau) und was genau darauf
angebaut wird (z.B. Getreide, Wein oder Gemüse) bleibt in der Betrachtung ebenso außen vor wie die Methanemissionen
aus der Viehhaltung.
Daher gab und gibt es immer wieder Überlegungen, wie sich bestimmte Praktiken mit besonders hoher Klimawirkung
in der Landwirtschaft – etwa die Viehhaltung und der Verbrauch von Kunstdünger – mit einem Preis belegen lassen,
der die durch sie verursachten Klimaschäden widerspiegelt.
Der Begriff „CO2-Preis“ führt in der Landwirtschaft eigentlich in die Irre, denn dort geht es vor allem um den Ausstoß
von Methan aus der Massenviehhaltung und von Lachgas, das bei der Verwendung von Kunstdünger auf Feldern entsteht.
Doch auch in diesen Bereichen wäre es denkbar, Treibhausgasemissionen mit einem verursachergerechten Preis zu
belegen. Beim Kunstdünger könnte sich dieser einfach an der verbrauchten Düngermenge bemessen. Er würde dann
zweckmäßigerweise in Form einer Zusatzsteuer erhoben, die zusammen mit dem Kaufpreis des Düngers zu entrichten
wäre.
Für die Methangasemissionen aus der Viehhaltung gibt es mehrere Konzepte, die
Greenpeace 2020 in einer Studie
vorgestellt hat: Man könnte entweder eine jährliche Abgabe für jedes Tier erheben, die ein landwirtschaftlicher
Betrieb hält. Die Abgabenhöhe wäre einfach zu ermitteln, da die Höfe ihre Tierbestände (etwa bei Schafen und
Schweinen) entweder jährlich an die Behörden melden oder sogar jedes einzelne Tier (z.B. bei Rindern) registrieren
lassen müssen.
Für die Abgabenhöhe wäre die durchschnittliche Methangasmenge maßgeblich, die eine bestimmte Tierart jährlich
ausstößt.
Beim zweiten Konzept wird die Treibhausgas-Abgabe dagegen auf tierische Produkte wie Fleisch, Eier, Milch
und Käse erhoben. Für deren durchschnittlichen „Methan-Fußabdruck“ gibt es mittlerweile Standardwerte, die
mithilfe von Ökobilanzen errechnet wurden. Hier ein Rechenbeispiel, das von einem CO2-Preis von 180 Euro je
Tonne ausgeht:
Treibhausgasemissionen bei der Herstellung tierischer Produkte und resultierende CO2-Abgabe
Grafik: eigene Darstellung nach Greenpeace/FÖS 2020
Bei beiden Abgabenvarianten würden die Preise von Bioware und konventionellen Lebensmitteln gleichermaßen
steigen, da die Methanemissionen von Bio-Rindern sich faktisch nicht von konventionell gehaltenen
unterscheiden. (Alles andere wäre auch überraschend, da die Tiere anatomisch die gleichen sind). Allerdings
würde insgesamt ein Anreiz entstehen, weniger tierische Produkte zu konsumieren, was dem Klima zugute
käme. Denn noch immer liegt der Fleischkonsum um das Zwei- bis Dreifache höher als die Menge von 300-600 g
wöchentlich, die die Deutsche Ernährungsgesellschaft empfiehlt. Und rechnet man den Anbau von Futtermitteln
auf heimischen Feldern mit ein, ist die Tierhaltung für mehr als zwei Drittel der Gesamtemissionen aus der
Landwirtschaft verantwortlich.
Die Pro-Kopf-Abgabe wäre von den beiden Varianten verwaltungstechnisch einfacher umzusetzen. Denn anders als
es die Tabelle oben suggeriert, haben wir es in der Lebensmittelwirtschaft oft nicht mit reinen Produkten zu
tun, sondern mit industriell hergestellten, die eine Vielzahl tierischer Erzeugnisse in unterschiedlichen
Gewichtsanteilen enthalten. Für sie müsste jeweils ein individuell angepasster CO2-Preis berechnet werden. Ferner
würde die Produktabgabe nur auf in Deutschland verkaufte Lebensmittel erhoben. Von den 8 Millionen Tonnen
Fleisch, die Deutschlands Schlachthöfe erzeugen, werden aber nur 5 Millionen Tonnen im Inland konsumiert. Mit
einer Produktabgabe würde der inländische Konsum voraussichtlich sinken und es würden einfach mehr Fleisch-
und Milchprodukte ins Ausland exportiert. Demgegenüber hat die Pro-Kopf-Abgabe den Nachteil, dass sie nur
inländische Erzeugnisse verteuert und so tendenziell Fleischimporte begünstigt.
In den bisherigen Überlegungen war nun stets von einer CO2-Abgabe die Rede. Im Fall der Lachgasemissionen aus
Kunstdünger, aber auch aus Gülle, wäre prinzipiell auch eine Integration in den bestehenden EU-weiten oder
nationalen Emissionshandel möglich. Denn die Düngemittelverordnung (DeV) fordert den Betrieben jetzt schon ab,
über die Menge des auf ihren Feldern ausgebrachten Düngers Buch zu führen.
In der Viehhaltung ließe sich dagegen
laut einer Studie des Umweltbundesamts
nur die Pro-Kopf-Pauschale durch
einen Emissionshandel ersetzen. Dann müsste jeder Landwirt für die Anzahl der Tiere, die er auf seinem Hof hält,
entsprechend Zertifikate ersteigern. Die Anzahl der Betriebe, die am Emissionshandel teilnimmt – und damit auch
die Komplexität des Handelssystems -, würde dadurch jedoch sprunghaft steigen. Dazu ein Vergleich:
In Deutschland gibt es immer noch mehr als 250.000 landwirtschaftliche Betriebe.
Am EU-Emissionshandel nehmen dagegen rund
11600 und am nationalen Emissionshandel sogar nur 4000 Betriebe teil.
Die EU hat im Hinblick auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens Klimaneutralität bis 2050 und eine
Reduktion ihrer Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 55% beschlossen. Jetzt sind weitere Zwischenziele
für 2035 und 2040 notwendig, um ein Paris-kompatibles EU-Budget einzuhalten.
Die richtigen Ziele sind das eine. Das andere sind die Instrumente, um diese Ziele zu erreichen. Ob
der bisher ins Auge gefasste Instrumentenmix und dessen Ausgestaltung auf nationaler und EU-Ebene
reicht, um die Ziele zu erreichen, darüber bestehen große Zweifel. Diese Zweifel sind jedoch ein
großes Hindernis für Investitionen in eine fossilfreie Zukunft. Daher brauchen wir glaubwürdige
Klimaschutzinstrumente. Gute Ziele allein reichen nicht.
Ein wirksamer CO2-Preis kann ein sehr glaubwürdiges Instrument sein
Ein sehr effektives und effizientes Instrument, um den komplexen Prozess der Dekarbonisierung
maßgeblich zu steuern, ist ein wirksamer CO2-Preis auf alle fossilen Brennstoffe. Der Staat kann
diesen umsetzen, durch eine CO2-Abgabe/Steuer oder einen Emissionshandel.
Breite gesellschaftliche Übereinkunft für glaubwürdigen CO2-Preis notwendig
Wenn ein CO2-Preis maßgeblich den Prozess der Dekarbonisierung steuern soll, dann brauchen wir eine
möglichst breite gesellschaftliche Übereinkunft darüber, dass wir in den nächsten Jahrzehnten jeweils
den CO2-Preis akzeptieren, der notwendig sein wird, um unsere Reduktionsziele einzuhalten. Das schafft
die notwendige Planungssicherheit für private und öffentliche Investitionen in eine fossilfreie Zukunft.
Daneben werden wir weiterhin einen breiten Mix an Klimaschutzinstrumenten und Bürgerengagement brauchen.
Ein wirksamer CO2-Preis ist kein Allheilmittel; aber wohl eine notwendige Bedingung für die erfolgreiche
Begrenzung des Klimawandels.
Klimadividende schafft Akzeptanz auch für hohe CO2-Preise
Die Bürgerlobby Klimaschutz tritt dafür ein, alle Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung in einem pro Kopf
gleichen Betrag als Klimadividende wieder an uns Bürger auszuschütten. Das ist gerecht und schafft
Akzeptanz auch für hohe CO2-Preise in der Zukunft.
Was kann diese Webanwendung?
Mit dieser Webanwendung kannst Du Deine persönliche Bilanz aus CO2-Kosten durch eine CO2-Bepreisung in
Verbindung mit einer Klimadividende abschätzen. Dabei kannst Du das Instrument CO2-Preis besser
kennenlernen und auch ein Gefühl für die notwendige Höhe von CO2-Preisen in der Zukunft entwickeln.
Auf unserer Website findest Du mehr Informationen über uns und unsere Forderungen.
Unser Ansatz:
Wir machen uns zu Klimalösungen schlau
Ob Expertin oder Laie – wir entwickeln unser Potenzial
Wir treten als Bürger mit unseren Abgeordneten in einen konstruktiven Dialog
Gemeinsam mit anderen ehrenamtlich Aktiven kannst Du dazu beitragen, Politiker zu wirkungsvollem Klimaschutz zu ermutigen.
Einschränkungen der Ergebnisse dieser Webanwendung
In dieser Webanwendung wird vereinfachend unterstellt, dass alle CO2-Emissionen,
die bei der Produktion der bei uns konsumierten Endprodukte entstehen, bepreist
werden.
Diese Vereinfachung ermöglichen es, das Grundprinzip einer CO2-Bepreisung mit
Klimadividende zu verdeutlichen. Das Grundprinzip bleibt erhalten, auch wenn eine
CO2-Bepreisung so nicht sofort zu 100% umgesetzt werden kann.
Details zu den Einschränkungen findest Du
hier
.
Einschränkungen der Ergebnisse dieser Webanwendung
Welche CO2-Emissionen liegen hier zugrunde?
Wir verwenden die Zahlen der Umweltökonomischen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes für das
Jahr 2015 (veröffentlicht am 16.05.2019).
Danach belaufen sich die Pro-Kopf-Emissionen des
Inlandverbrauchs von Gütern in Deutschland auf 10,9 t. In dieser Zahl ist vom Grunde her der
CO2-Gehalt von Importen enthalten und der von Exporten nicht. Bei den Importen gibt es jedoch
methodische Probleme, den CO2-Gehalt zu bestimmen.
Die CO2-Emissionen, die in Deutschland durch Verbrennung fossiler Brennstoffe und Zementherstellung
direkt entstehen, liegen bei 11,8 t pro Kopf.
Hier findest Du Details zur
Daten und die Datenquelle
.
Welche CO2-Emissionen liegen hier zugrunde?
(1) Gründe in der Ausgestaltung
Werden nicht alle CO2-Emissionen bepreist, die in Deutschland entstehen (weil z.B. Ausnahmeregelungen
für bestimmte Branchen wie der Stahlindustrie gewollt sind), ergäbe sich eine andere Klimadividende
und auch andere CO2-Kosten als sie hier in der Webanwendung berechnet werden. Allerdings wäre es laut
dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) möglich für diese Branchen eine
Produktsteuer mit Grenzausgleich
einzuführen, die sich am CO2-Gehalt orientiert. Die Einnahmen aus einem solchen
Grenzausgleich sollten nach Ansicht der
Bürgerlobby Klimaschutz ebenfalls in die Klimadividende einfließen.
Würden die Versteigerungserlöse im EU-Emissionshandel erst einmal (noch) nicht als Klimadividende
ausgeschüttet, ergibt sich eine entsprechend geringere Klimadividende. Die Einnahmen im
EU-Emissionshandel sind derzeit bereits verplant für Klimaprojekte und müssten daher erst
anders finanziert werden.
(2) Auswirkungen durch Im- und Exporte
Ohne Grenzausgleich, ergeben sich die Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung aus den im Inland
entstandenen CO2-Emissionen. So dass sich eine etwas höhere Klimadividende ergäbe als hier
berechnet wird.
Betreibt das Herkunftsland von Importen von "Waren und Dienstleistungen" oder von "Strom" eine
weniger ambitionierte Klimaschutzpolitik, besteht für den Konsumenten der Anreiz auf
Importprodukte bzw. auf Produkte mit einem höheren Importanteil auszuweichen. Damit besteht
die Gefahr, dass unser tatsächlicher CO2-Rucksack schwerer wird, ohne dass unsere CO2-Kosten
steigen.
Wichtig ist festzuhalten: Diese Grundproblematik besteht auch bei anderen Klimaschutzinstrumenten.
Betreibt das Land, mit dem wir im Handelsaustauch stehen, eine ähnlich ambitionierte
Klimaschutzpolitik - unabhängig vom konkreten Instrumentenmix - ergeben sich im Grunde keine
Verzerrungen. Ist dies nicht der Fall, gibt es Probleme bei einer rein nationalen Klimaschutzpolitik.
Dass diese Problematik nicht nur einen wirksamen CO2-Preis betrifft, zeigt auch die EEG-Umlage,
von der besonders stromintensive Unternehmen eine teilweise Befreiung erhalten. Nebenwirkung: Die
Kosten der Energiewende werden dafür für den Rest ("normale" Unternehmen und Endkunden) höher.
Was kann man tun, um eine Schieflage bei Im- und Exporten zu entschärfen:
Grenzausgleichssysteme (border adjusment; weitere Infos dazu unter:
Wikipedia bzw.
CCL-USA)
CO2-Abgabe auf Importstrom erheben.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
schlägt vor, eine CO2-Abgabe auf besonders CO2-intensive Produkte wie Stahl und Zement in der EU mit Grenzausgleich
gegenüber Drittstaaten zu erheben.
Eine gute Wirtschaftspolitik betreiben. Klimaschutzpolitik ist nur ein Standortfaktor von
vielen.
Eine kosteneffiziente und innovationsfreundliche Klimaschutzpolitik u.a. mit einem CO2-Preis
betreiben.
Darauf drängen, dass alle wichtigen Volkswirtschaften sich im
Pariser Nachbesserungsprozess
zu ähnlich ambitionierten Klimaschutz verpflichten. Eine eigene ambitionierte Klimapolitik,
die auch mit einem Preis auf alle CO2-Emissionen Zeichen setzt, trägt dazu bei, dass globale
Kooperation gelingt.
(3) CO2-Kosten des Staates
Im diesem Bilanzrechner werden die CO2-Kosten durch Staatskonsum (z.B. Heizen der Verwaltungsgebäude)
und staatliche Investitionen (ca. 0,9 t pro Kopf) nicht abgebildet. Der Staat refinanziert die bei ihm
anfallenden CO2-Kosten durch Steuern, Abgaben und Gebühren. Da die Steuer- und Abgabenlast individuell
sehr unterschiedlich ist, kann für diese CO2-Kosten hier keine individuelle Zurechnung vorgenommen werden.
(4) Veränderung Strommix in Deutschland durch einen CO2-Preis
Die CO2-Intensität des Strommixes in Deutschland würde sich durch einen steigenden CO2-Preis verringern.
Wenn Du in den Ausgangsdaten "Strommix Deutschland" wählst, wird diese Veränderung aber bei der Berechnung
des CO2-Fußabdrucks nicht abgebildet. Wir empfehlen daher bei höheren CO2-Preisen bei den Ausgangsdaten,
"Strom aus erneuerbaren Energien" oder "Erdgasstrom" zu wählen. Außerdem weisen wir daraufhin, dass die
CO2-Intensität des Strommixes in Deutschland in den letzten Jahren bereits abgenommen hat. Da wir uns auf
die Daten des Statistischen Bundesamtes stützen, können wir hier nicht die aktuelleren Zahlen des
Umweltbundesamtes verwenden, die wir aber mit angeben (siehe den Hilfetext bei Strom).
Hinterlegte Daten
Datenbasis Emissionen Deutschland (Quelle: Statistisches Bundesamt, 16.05.2019, "Umweltökonomische Gesamtrechnung")
Umweltökonomische Gesamtrechnung für das Jahr
2015
Bürger (Stand 2015)
82 Millionen
Emissionen durch in Deutschland verbrauchte Güter
Mill. t CO2
t pro Kopf
Private Haushalte - direkte Emissionen
213
2.6
Produktion in Deutschland
753
9.2
Importe
506
6.2
Exporte
-579
-7.1
Gesamt - Inlandsverbrauch von Gütern
893
10.9
Verursacher der Emissionen
Mill. t CO2
t pro Kopf
Private Haushalte - direkte Emissionen
213
2.6
Güter des privaten Konsums
420
5.1
davon Energiegüter (vor allem Strom)
120
1.5
davon Waren und Dienstleistungen
300
3.7
Staatskonsum
60
0.7
Konsum
693
8.5
Investitionen
29%
199
2.4
Gesamt - Inlandsverbrauch von Gütern
893
10.9
In Deutschland emittierte Emissionen
Mill. t CO2
t pro Kopf
Private Haushalte - direkte Emissionen
213
2.6
Produktion in Deutschland
753
9.2
Gesamt - Emissionen in Deutschland
966
11.8
Öffentliche Emissionen (Staat)
Mill. t CO2
t pro Kopf
Staatskonsum
60
0.7
Staatsinvestitionen
29%
17
0.2
Gesamt
77
0.9
Deutschland heute
10.9 t pro Kopf
Öffentliche Emissionen (Staat)
-0.9 t pro Kopf
Deutschland heute - ohne Staat
10.0 t pro Kopf
Anpassung Deiner persönlichen CO2-Emissionen
Was diese Webanwendung nicht kann
Die Anpassung Deines CO2-Fußabdrucks kann hier nur eingeschränkt dargestellt werden. Dafür müsste man die
Alternativen, die bei einem steigenden CO2-Preis immer mehr zur Verfügung stehen werden, mit anbieten
(Beispiele bei Mobilität: Elektroautos; alternative Treibstoffe: Wasserstoff, Power-to-Liquid, andere
synthetische Treibstoffe, Bioenergie, vielleicht übergangsweise Erdgas; Hybridantriebe; Öffentlicher
Personenverkehr mit unterschiedlichen Antrieben; E-Bikes, Oberleitungen für LKWs auf Autobahnen, autonom
fahrende Autos, etc. etc.). Diese Komplexität können und wollen wir hier nicht abbilden. Unser Rechner
dient in erster Linie dazu, ein Gefühl für die Wirkung von CO2-Preisen zu entwickeln. Wie würde sich ein
steigender CO2-Preis mit Klimadividende für meinen Haushalt auswirken? Bei welchem CO2-Preis beginne ich
darüber nachzudenken etwas zu verändern bzw. bei welchem CO2-Preis wird die Wirtschaft mir im Zusammenwirken
mit staatlichen Infrastrukturentscheidungen Alternativen anbieten? Das Wichtige ist: Über einen wirksamen
CO2-Preis werden sich die innovativen und kosteneffizienten Alternativen zu fossilen Brennstoffen auf dem
Markt nachhaltig aus eigener Kraft durchsetzen. Der Staat muss natürlich auch bei einem wirksamen CO2-Preis
strategische Infrastrukturentscheidungen fällen, wie z.B. bei LKW-Oberleitungen auf Autobahnen. Aber er kann
dann dabei wesentlich besser kalkulieren, welche Entscheidung die richtige ist.
Damit auch Dein CO2-Fußabdruck nachhaltig kleiner wird, müssen sich die Rahmenbedingungen ändern
Wie man sieht, ist der Prozess der Dekarbonisierung sehr komplex. Steuert man den Prozess der Dekarbonisierung
maßgeblich mit einem wirksamen CO2-Preis, findet der Markt leichter innovative und kosteneffiziente Lösungen.
Ein wirksamer CO2-Preis setzt gleichzeitig einen starken Anreiz die Effizienz zu erhöhen, neue technische
Lösungen zu finden, in entsprechende Infrastruktur zu investieren, erneuerbare Energien einzusetzen und unseren
Lebensstil zu überdenken. Kein anderes Instrument hat diesen ganzheitlichen Ansatz. Und besonders wichtig: Mit
einem wirksamen CO2-Preis gibt es einen eindeutigen Hebel, der in Gang gesetzt werden kann, wenn wir unsere
Reduktionsziele nicht einhalten. Damit erreichen wir für Investoren, die in eine fossilfreie Zukunft investieren
müssen, eine viel höhere Planungssicherheit darüber, dass wir unsere Klimaziele auch erreichen. Nur mit einem
hochkomplexen Instrumentenmix, ist eine solche Planungssicherheit viel weniger gegeben. Bei einem Instrumentenmix
ohne wirksamen CO2-Preis besteht die Gefahr, dass Verantwortung verwässert wird, weil es keine zentrale Steuerungsgröße
gibt. Am Schluss sagen dann alle sinngemäß: "Wir haben uns doch bemüht - aber leider leider und aus tausendundeins
Gründen - hat es halt nicht geklappt". Mit einem zentralen Steuerungsinstrument, wie einem wirksamen CO2-Preis,
bekommt dagegen auch ein breiter Instrumentenmix den richtigen Drive und eine eindeutige Richtung: CO2-Wende. Der
Staat wird weiterhin eingreifen müssen; aber in einem wesentlich geringeren Detaillierungsgrad als sich mit dem
heutigen Instrumentenmix abzeichnet. Der Staat kann sich auf die wesentlichen Weichenstellungen z.B. bei Infrastruktur
und Grundlagenforschung konzentrieren. Heute verzettelt er sich in tausenden und abertausenden von Detailregelungen,
mit unter anderem der Gefahr, dass diese am Ende auf immer mehr Widerstand und Unverständnis bei uns Bürgern stoßen.
Hinweise, wenn Du mit den Zahlen des CO2-Rechners des Umweltbundesamtes rechnen willst
Der UBA-Rechner kalkuliert mit CO2-eq. Dies bedeutet, es fließen auch andere Treibhausgase wie
Methan und Lachgas mit ein. Diese anderen Treibhausgase lassen sich aber in der Praxis nur schwer
bepreisen. Daher bezieht sich unser Rechner nur auf CO2-Emissionen durch die Nutzung fossiler
Brennstoffe und Zementherstellung. Beim UBA-Rechner wird teilweise zwischen dem Territorialprinzip
und dem Inländerprinzip gewechselt. Unser Rechner beruht demgegenüber auf dem Inländerprinzip.
Weitere Erläuterungen findest Du auch beim UBA-Rechner unter ‚Hintergrund'.
Der UBA-Rechner bietet den Vorteil, dass eigene Profil detaillierter und mit mehr Hilfestellungen
ermitteln zu können.
Du kannst Deine CO2-Kosten auch mit den Ergebnissen des UBA-Rechners abschätzen. Dazu multipliziere
einfach Dein persönliches Ergebnis im UBA-Rechner mit dem von Dir vorzugebenden CO2-Preis. Die
Klimadividende pro Kopf ergibt sich durch die Multiplikation der Pro-Kopf-Emissionen ‚Deutscher
Durchschnitt' mit dem von Dir gewählten CO2-Preis. Bitte beachten Sie, dass, wie oben erwähnt,
beide Werte etwas überhöht sind, da der UBA-Rechner auf CO2-eq abstellt.
In unserem Rechner wird berücksichtigt, dass die Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland durch einen
steigenden CO2-Preis sinken werden und dies auch Auswirkungen auf die Klimadividende hat. Wenn Du
dies auch bei den UBA-Zahlen simulieren willst, kannst Du hilfsweise die Klimadividende übernehmen,
die sich in unserem Rechner bei dem von Dir vorzugebenden CO2-Preis ergibt.
Wie entsteht ein CO2-Preis?
Der Staat kann einen CO2-Preis auf fossile Brennstoffe (Kohle, Benzin, Diesel, Erdgas, etc.) einführen
durch einen Emissionshande oder eine CO2-Abgabe.
Wer zahlt ihn?
Der CO2-Preis fällt in einem ersten Schritt bei Unternehmen als Kosten an. Wenn Unternehmen in einem
funktionierenden Wettbewerb stehen, werden sie versuchen, diese Kosten zu minimieren, indem sie Maßnahmen ergreifen,
um CO2 einzusparen. Durch einen kontinuierlich steigenden CO2-Preis werden dies immer mehr
Maßnahmen sein, die sich für sie rechnen und jedes Unternehmen hat ein Interesse, in entsprechende Innovation zu
investieren. (Noch) nicht vermeidbare CO2-Kosten werden die Unternehmen versuchen, in ihre Preise
(wie alle Kosten der Produktion) einzukalkulieren. Damit landet der CO2-Preis für noch nicht aus
betriebswirtschaftlicher Sicht des Unternehmens vermeidbare CO2-Emissionen i.d.R. über alle
Wertschöpfungsketten hinweg in den Endverbraucherpreisen. Diese spiegeln somit dann den verbliebenen
CO2-Fußabdruck der Produkte wider und der Käufer kann dann entscheiden, ob er bereit ist, diesen
CO2-Preis für diesen Fußabdruck zu bezahlen.
Unternehmen, die direkt fossile Brennstoffe verkaufen, werden versuchen, den gesamten
CO2-Preis auf ihre Kunden zu überwälzen.
Letztendlich zahlt also der Endverbraucher in der Regel den CO2-Preis.
Auch deshalb schlagen wir vor, die gesamten Einnahmen als Klimadividende an uns Bürger auszuschütten.
Die Bundesregierung hat in ihrem
Maßnahmenpaket 2030
die Einführung einer CO2-Bepreisung auch in den Bereichen 'Mobilität' und 'Wärme' beschlossen. Dazu wurde
ab 2021 ein 'Festpreis' von 25€ eingeführt, der bis 2025 auf 55€ steigt. Ab 2026 sollen in diesem nationalen
Emissionshandel (nEHS)
die Zertifikate versteigert werden und damit gibt es erst ab 2026 auch eine Mengenbegrenzung (cap).
Wie hoch sollte der CO2-Preis sein?
Letztlich so hoch, dass wir damit die Pariser Klimaziele einhalten.
Realistischerweise wird man die Preishöhe daher immer wieder nachjustieren müssen – oder
man setzt auf einen Emissionshandel mit Begrenzung der Emissionszertifikate (Cap), bei dem
sich der CO2-Preis am Markt bildet.
Wichtig ist vor allem das klare, politische Signal: Wir meinen es ernst mit dem CO2-Preis – und
somit auch mit dem Klimaschutz. Einmal geplante Steigerungen beim CO2-Preis zu verschieben oder
ausfallen zu lassen, wie es die Bundesregierung im September 2022 beschlossen hat, ist der
falsche Weg. Die sozialen Folgen steigender Energiepreise müssen anders bewältigt werden als
durch ein Zurückdrehen der CO2-Preis-Schraube.
Das Umweltbundesamt (UBA) berechnet regelmäßig, wie viel CO2 im Durchschnitt bei der in
Deutschland verbrauchten Strommenge bei der Produktion emittiert wurde. Dieser Wert wird herangezogen
bei den Berechnungen in der Zeile 'Strom', wenn Du 'Strommix Deutschland'
wählst.
Du kannst zwar Braunkohle- oder Erdgasstrom nicht direkt beziehen, wenn Du diese Optionen wählst,
kannst Du jedoch in der Zeile 'Strom' sehen, wie sich die CO2-Intensität
je kWh verändert und damit auch deren Wettbewerbsfähigkeit.
Wenn Du einen relativ hohen CO2-Preis gewählt hast, empfehlen
wir 'Erdgasstrom' oder 'Strom aus erneuerbaren Energien' zu wählen, da Kohlestrom relativ schnell verdrängt
würde. Um die deutschen Klimaziele im Stromsektor bis 2030 erreichen zu können, wird vom
Energy Brainpool ein
CO2-Preis in einer Größenordnung von 50-75€/t für
notwendig erachtet.
Auch erneuerbare Energien können mit CO2-Emissionen - z.B. bei der Herstellung von Windturbinen -
verbunden sein. Dies wird hier aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt.
Brennstoffe enthalten Kohlenstoff (C). CO2 entsteht bei deren Verbrennung durch die Verbindung
mit Sauerstoff aus der Luft.
Die hier angegebenen CO2-Gehalte bei Benzin, Diesel und Heizöl beziehen sich auf rein fossile
Brenn- bzw. Kraftstoffe. Quelle für die Werte:
Umweltbundesamt_2016 (siehe auch
Kommentare im PDF-Dokument).
Mit der CO2-Bepreisung sollen CO2-Emissionen durch die
Nutzung fossiler Quellen bepreist werden. Aufgrund der vorgeschriebenen Biokraftstoff-Quote werden Benzin
und Diesel Biokraftstoffe beigemischt (Stichworte: E10/Biodiesel). Dieser Anteil unterläge keiner direkten
CO2-Bepreisung, so dass die CO2-Gehalte an der Zapfsäule
niedriger sind als die hier angegebenen Werte. In diesem Rechner wird vereinfachend unterstellt, dass Benzin
und Diesel zu 100% aus fossilen Quellen hergestellt wird.
Andere CO2-Rechner ziehen CO2-Äquivalente (CO2eq) heran. Hierbei werden z.B. die Methanemissionen (ein
weiteres Treibhausgas), die bei der Förderung von Erdöl und Erdgas entweichen miteinbezogen und in
CO2eq umgerechnet. Für Erdgas ergeben sich z.B. dann eine Größenordnung von 0,25 kg CO2eq (schwankt
stark nach Herkunft) statt der bei uns verwendeten 0,20 kg CO2 je kWh. Da der Kohlenstoffgehalt der
fossilen Brennstoffe die eindeutigere Grundlage darstellt und die Pro-Kopf-Emissionen in unserem Rechner
ausschließlich auf CO2 abstellen, verwenden wir den Kohlenstoffgehalt der fossilen Brennstoffe als
Bemessungsgrundlage.
Berechnung am Beispiel 'Benzin': 2,33 kg / 1.000 * CO2-Preis * 100 = 4,66 ct je Liter Benzin
Die angegebenen Kosten enthalten nicht die Umsatzsteuer.
Mit der CO2-Bepreisung sollen CO2-Emissionen durch die Nutzung fossiler Quellen
bepreist werden. Aufgrund der vorgeschriebenen Biokraftstoff-Quote, werden Benzin und Diesel Biokraftstoffe
beigemischt (Stichworte: E10/Biodiesel). Dieser Anteil unterläge keiner direkten CO2-Bepreisung,
so dass die hier angegebenen CO2-Preise je Liter Benzin oder Diesel in der Praxis niedriger
wären. In diesem Rechner wird vereinfachend unterstellt, dass Benzin und Diesel zu 100% aus fossilen
Quellen hergestellt wird.
Wenn Du mehr als einen PKW besitzt, die sich in ihren Verbräuchen unterscheiden,
kannst Du dies durch einen gewichteten Durchschnittsverbrauch berücksichtigen.
Deine CO2-Kosten = Dein CO2-Fußabdruck * CO2-Preis.
Du kannst aus 4 Durchschnitts-Datensätzen wählen:
Einzelperson
Familie mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern.
Geringverdiener 1 (GerV 1):
lebt in der Stadt in einer kleinen halbwegs energetisch sanierten Wohnung
Geringverdiener 2 (GerV 2):
lebt auf dem Land in einem relativ großen schlecht gedämmten Haus mit einer
alten Ölheizung (beachte daher den hohen Heizölverbrauch!) und muss täglich
mit dem Auto zur Arbeit fahren
Der Datensatz 'GerV 2' macht deutlich, wo die Politik mit sozialpolitischen Härtefallregelungen
insbesondere bei hohen CO2-Preisen in der Zukunft zielgenau zusätzlich unterstützen muss. Die
Datensätze 'GerV 1' und 'Familie' machen deutlich, dass Geringverdiener und Familien in der
Regel deutlich von der Klimadividende profitieren.
Mit diesem Tool kannst Du Deinen CO2-Fußabdruck aufgrund Deines direkten Verbrauchs an
fossilen Brennstoffen, Deines Stromverbrauchs und Deines Verbrauchs sonstiger Waren und
Dienstleistungen abschätzen.
Gleichzeitig wird berechnet, wie hoch Deine CO2-Kosten aufgrund dieser Verbräuche wären,
wenn alle CO2-Emissionen einen CO2-Preis bekommen, den Du vorgeben kannst.
Damit kann auch Deine persönliche Bilanz aus CO2-Kosten und Klimadividende (Pro-Kopf-Ausschüttung
der Einnahmen) berechnet werden.
An folgenden Stellen werden Dir nach dem Klick auf zusätzliche Hilfen bei der Eingabe
von Verbrauchsdaten gegeben:
Heizen (Heizöl, Erdgas): Du kannst dort Deine Wohnfläche eingeben, um über einen
durchschnittlichen Verbrauch Deine Emissionen abzuschätzen, wenn Dir Dein Öl-
bzw. Erdgasverbrauch nicht bekannt ist.
Strom: Es werden dort durchschnittliche Haushaltsverbräuche angegeben.
Sonstige Waren und Dienstleistungen: Du kannst dort Ergebnisse eingeben, die
Du im
CO2-Rechner des Umweltbundesamtes z.B. für Ernährung oder Flugreisen
ermittelt kannst.
Du kannst dieses Tool auch nutzen, um Dir ein Bild zu machen, was eine CO2-Bepreisung
plus Klimadividende für typische Verbrauchsprofile bedeutet. Dazu haben wir im Datenmanager
entsprechende Beispielprofile hinterlegt.
Bitte nutze auch die anderen Buttons
für weitere Hintergrundinformationen.
Die Anpassung der persönlichen Emissionen wird hier sehr verkürzt abgebildet, indem
Du die Jahreswerte ändern kannst. Alle Alternativen darzustellen, würde den Rahmen
und den Fokus dieser Webanwendung sprengen
(weitere Hintergründe). Wer hierzu
mehr ins Detail gehen will, dem können wir den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes
empfehlen.
Hier ein paar Hinweise, wenn Du insgesamt mit den UBA-Zahlen rechnen willst.
Die Veränderung der CO2-Emissionen in Deutschland aufgrund eines CO2-Preises werden
in der Simulationsbox am Ende des CO2-Preis-Rechners abgeschätzt. Diese Abschätzung wird bei der Berechnung der
Klimadividende zugrunde gelegt.
Die Heizkostenabrechnung von Mietwohnungen muss grundsätzlich den geschlüsselten Heizölverbrauch Deiner Wohnung ausweisen.
Ein durchschnittlicher Verbrauch pro qm Wohnfläche liegt bei ca. 15,5 Liter für
Warmwasser und Heizung. Wenn Du über einen Durchschnittsverbrauch Deinen Heizölverbrauch abschätzen willst,
multipliziere die Wohnfläche in Quadratmetern mit dem Durchschnittsverbrauch von 15,5 Litern.
Hinweis: Im CO2-Rechner des Umweltbundesamtes
kannst Du sehr differenziert den CO2-Ausstoß einer Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung je nach Gebäudeart
und -standard und eingesetzter Technik und Brennstoffe simulieren.
Die Heizkostenabrechnung von Mietwohnungen muss grundsätzlich den geschlüsselten Erdgasverbrauch Deiner Wohnung ausweisen.
Ein durchschnittlicherb Verbrauch pro qm Wohnfläche liegt bei ca. 160 kWh für Warmwasser und Heizung.
Eine Abschätzung des Gasverbrauchs kann folgendermaßen vorgenommen werden: Wohnfläche (in m2)
multipliziert mit 160 kWh/m2 als Durchschnittswert.
Sollte Dir der Gasverbrauch nur in Kubikmetern bekannt sein, kannst Du ihn wie folgt in kWh umrechnen:
Multipliziere den Gasverbrauch in m^3 mit dem Brennwert und der Zustandszahl (z-Zahl). Die beiden Werte
findest Du auf Deiner Gasrechnung oder sie können beim örtlichen Netzbetreiber erfragt werden.
Sind Brennwert und Zustandszahl nicht bekannt, kann die Kubikmeterzahl mit 10 multipliziert werden, was
einen guten Schätzwert ergibt.
Hinweis: Im CO2-Rechner des Umweltbundesamtes
kannst Du sehr differnziert den CO2-Ausstoß einer Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung je
nach Gebäudeart und -standard und eingesetzter Technik bzw. Brennstoffe simulieren.
Wieviel CO2 steckt ungefähr in einer kWh Strom?
Braunkohlestrom
1.15
kg CO2 / kWh
Steinkohlestrom
0.86
kg CO2 / kWh
GuD-Kraftwerk (Erdgas)
0.39
kg CO2 / kWh
Strommix Deutschland (Stand: 2015)
0.53
kg CO2 / kWh
Strommix Deutschland (aktueller Stand: 2019)
0.40
kg CO2 / kWh
Schwankt bei Erdgas und Kohle je nach Wirkungsgrad des Kraftwerkes.
Wir verwenden beim Strommix für Deutschland den Stand des Jahres 2015,
da dies auch der Datenstand der Daten des Statistischen Bundesamtes ist, die unseren Berechnungen zu Grunde liegen.
Die CO2-Intensität des Stromixes von Deutschland würde sich mit steigendem
CO2-Preis verringern. Dies wird an dieser Stelle nicht
abgebildet. Wenn Du einen relativ hohen CO2-Preis vorgibst,
raten wir daher, in den Ausgangsdaten 'Strom aus erneuerbaren Energien' bzw. 'Erdgasstrom' zu wählen.
Bei der Simulation der CO2-Emissionen Deutschlands bei einem bestimmten
CO2-Preis in der Simulationsbox unten auf dieser Seite,
wird der Rückgang der CO2-Intensität auch des Stromixes indirekt berücksichtigt.
Hier findest Du Details zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung.
Details zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung
Betriebswirtschaftliche Perspektive
Fotovoltaik-Freiflächenanlagen sind einmal im Rahmen des EEG mit 43 ct/kWh gestartet. Aufgrund
einer gewaltigen Kostendegression liegen diese heute bei unter 5 ct/kWh. Auch bei Windenergie gab
es eine beträchtliche Senkung der Gestehungskosten. Bei Anlangen an Land (Onshore) liegen die
Kosten derzeit ca. zwischen 4 und 8 ct und Offshore zwischen 7 und 10 ct.
Ein neues Braunkohlekraftwerk braucht eine Größenordnung von gut 4 ct/kWh, um profitabel zu
arbeiten; Steinkohle gut 6 ct. Wenn die Kraftwerke schon abgeschrieben sind, reicht weniger.
Wenn man sich also die reinen Gestehungskosten anschaut, dann könnte man den Eindruck gewinnen,
dass Strom aus Wind und Sonne gegenüber einem neuen Kohlekraftwerk bereits (fast) betriebswirtschaftlich
konkurrenzfähig ist. Die Betrachtung der reinen Gestehungskosten springt jedoch leider zu kurz.
Gestehungskosten von z.B. 4 ct für Wind-Onshore bedeuten, dass der Anlagenbetreiber mit diesem
Preis bei durchschnittlichen Betriebsstunden zurechtkommt. Die Stromhändler brauchen jedoch eine
gesicherte Leistung zu jedem Zeitpunkt. Daher müssen diese nicht nur die 4 ct an einen
Windanlagenbetreiber bezahlen, sondern müssen zusätzlich bei Speicherbetreibern dazukaufen.
Für den Stromhändler ergibt sich also ein Mischpreis, der wohl deutlich höher ist, als wenn
er seinen gesamten Strom bei einem Kohlekraftwerk einkauft, das prinzipiell immer den benötigten
Strom liefern kann.
Die Frage, ob 100% Strom aus erneuerbaren Energien einschließlich Speicher sich betriebswirtschaftlich
rechnet, ist für uns als Gesellschaft jedoch die falsche Fragestellung. Gesamtwirtschaftlich ist
entscheidend, wie die Rechnung aussieht, wenn man allen Energieträgern auch ihre externalisierten
Kosten z.B. des Klimawandels zurechnet. Tut man dies sukzessive über einen wirksamen
CO2-Preis, wird bei der Kohle schnell deutlich, wie
teuer sie uns wirklich kommt. Der Punkt ist: wir müssen auf 100% EE-Strom umsteigen, auch wenn
dieser betriebswirtschaftlich teurer sein sollte.
Wie hoch muss der CO2-Preis
für eine Dekarbonisierung der Stromerzeugung sein?
Diese Frage kann man über die Zeit hinweg nicht so einfach beantworten, da wir heute nicht
wissen können, welche Technologien uns wann zu welchen Kosten zur Verfügung stehen werden.
Entscheidend ist, dass der CO2-Preis immer so hoch
ist, so dass wir uns auf dem politisch entschiedenen CO2-Reduktionspfad befinden.
Dann rechnet es sich auch, in Speicher als Geschäftsmodell zu investieren. Dann rechnet es
sich auch, viele dezentrale Speicher, Erzeuger und auch abschaltbare Lasten in
virtuellen Kraftwerken
zu bündeln und damit auf dem Strommarkt aufzutreten. Auch Gaskraftwerke und
Strom aus Biogasanlagen würden ebenfalls ihr sinnvolles Auskommen finden; vor allem
wohl als Anbieter von Spitzenlast und Regelenergie. Sinken die betriebswirtschaftlichen
Kosten des EE-Stroms weiter, braucht der CO2-Preis weniger hoch zu steigen.
Fossile Kraftwerke unterliegen dem EU-Emissionshandel. Daher ist es entscheidend, dass
dort die Zertifikatemenge so festgelegt wird, dass diese Paris-kompatibel ist. Dann ergibt sich
der notwendige CO2-Preis zur Einhaltung unserer
CO2-Ziele durch Angebot und Nachfrage nach CO2-Zertifikaten.
Hier findest Du Details zum EU-Emissionshandel.
Was ist aus heutiger Sicht für die Zukunft sinnvoller:
Markt, EEG oder wirksamer CO2-Preis?
Ob EE-Anlagenbetreiber ohne garantierte Einspeisevergütungen und Betreiber von Speichern
nachhaltig kostendeckende Preise am Markt erzielen können, ist heute noch Spekulation.
Aber auch die Subventionierung von EE-Anlagen hat ihre Tücken. Z.B.: Sinkt die Nachfrage nach
fossilen Brennstoffen, weil z.B. EE ausgebaut werden, können die Weltmarktpreise fossiler
Brennstoffe sinken und es kann zu einem Hase-und-Igel-Rennen mit ungewissem Ausgang kommen.
Die staatliche Subventionierung der Alternativen müsste dann gegen sinkende Preise für
fossile Brennstoffe ständig gegenhalten.
Es ist also keine sichere Dekarbonisierungsstrategie darauf zu hoffen, dass sich die Alternativen
betriebswirtschaftlich (einmal) rechnen. Dafür gibt es kein Naturgesetz. Auch die dauerhafte
Subventionierung der Alternativen ist aus unterschiedlichen Gründen nicht optimal. Ein wirksamer
CO2-Preis ist dagegen eine relativ sichere und dabei
flexible Dekarbonisierungsstrategie, da er das Ãœbel an der Wurzel packt und sich technologie-
und lebensstiloffen Alternativen aus eigener Kraft auf dem Markt behaupten können.
Natürlich kann der Einsatz von fossilen Brennstoffen zur Stromerzeugung auch einfach ab einem
bestimmten Zeitpunkt verboten werden. Aufgrund der Budgeteigenschaft von CO2 kommt
es aber weniger auf ein bestimmtes Ausstiegsdatum an, als auf die Menge an fossilen Strom, den
wir in Zukunft noch produzieren. Die Paris-kompatible Begrenzung dieser Menge ließe sich viel
eleganter über den Emissionshandel steuern als über Verbote. Durch eine Paris-kompatible
Anhebung der EU-Ziele könnte über den EU-Emissionshandel das in Deutschland beschlossene
Kohleausstiegsdatum 2038 daher (hoffentlich) bald Makulatur sein. Wenn der im EU-Emissionshandel
unterlegte Emissionspfad Paris-kompatibel ist, dann könnten wir staatliche Einspeisevergütungen
nach dem EEG langsam und mit Bedacht auslaufen lassen. Solange dies nicht der Fall ist, sind
zusätzliche unterstützende Maßnahmen für EE-Strom wohl weiterhin notwendig.
Andere Sektoren - Sektorenziele - Sektorenkopplung
Die hier aufgezeigte Argumentationskette bezüglich betriebswirtschaftlichem bzw.
gesamtgesellschaftlichem Kalkül lässt sich sinngemäß auch auf andere Sektoren wie
"Wärme" und "Mobilität" übertragen. Daher bietet sich ein sektorübergreifender
CO2-Preis an, der auch dazu führt,
dass dort zuerst CO2 eingespart wird, wo dies am kostengünstigsten
möglich ist. Sogenannte Sektorenziele könnten sich dadurch erübrigen.
Man kann sich auch fragen, wie sinnvoll Sektorenziele sind. Für die gesamten
CO2-Emissionen gäbe es mit einem sektorübergreifenden
CO2-Preis eine zentrale Steuerungsgröße.
D.h., sind die Emissionen zu hoch - ist der CO2-Preis
zu niedrig. Welche Steuerungsgröße haben wir, wenn die CO2-Emissionen
z.B. im Verkehrsbereich zu hoch sind? Dann kann schnell die Ausrede kommen:
"Wir haben ja alles probiert - mit einem breiten Instrumentenmix. Haben die Bahn
mehr gefördert. Ein paar Radwege und Ladestationen gebaut etc. etc. - hat halt
leider leider nicht gereicht. Wir bemühen uns weiter." Sektorenziele können
also zur Verwässerung von Verantwortung führen (Verantwortungsdiffusion). Solange
es allerdings keinen politisch starken sektorübergreifenden
CO2-Preis gibt, werden Sektorziele weiter gebraucht.
Auch die Sektorenkopplung (vermehrter Einsatz von Strom in den Sektoren 'Wärme" und
"Mobilität"), wird durch einen sektorübergreifenden CO2-Preis
in einem sinnvollen Ausmaß gefördert. Zur Unterstützung der Sektorenkopplung kann überlegt werden,
ob der heutige Strompreis z.B. von den Technologieanlaufkosten der erneuerbaren Energien (sehr hohe
Einspeisevergütungen am Anfang) und den Industrieausnahmen entlastet werden kann, indem man diese
Kosten statt über die EEG-Umlage sozial gerechter aus dem Bundeshaushalt finanziert. Eine
Teilfinanzierung über die Einnahmen der nationalen CO2-Bepreisung,
wie sie jetzt geplant ist, führt eher nicht zu einer gerechteren Finanzierung dieser Lasten. Mittelfristig
brauchen wir die Klimadividende, um breite Akzeptanz bei uns Bürgern auch
für hohe CO2-Preise zu erreichen, die wir brauchen werden.
Ziel könnte ein funktionierender EU-weiter Emissionshandel für alle CO2-Emissionen
sein, dem ein Paris-kompatibler Emissionspfad zugrunde liegt.
Zu Deiner Orientierung: Der durchschnittliche Börsenpreis betrug 2015 für Grundlaststrom 3,2 ct/kWh.
Wie Du siehst, würde bei der Stromerzeugung bereits ein relativ geringer
CO2-Preis schnell Wirkung zeigen, da die Stromhändler
auf jeden Cent schauen.
Hier findest Du Details zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung.
Durchschnittliche Stromverbräuche in kWh pro Jahr nach Haushaltsgrößen zu Deiner Orientierung,
falls Du Deinen tatsächlichen Verbrauch nicht zur Hand hast:
Haushaltsgröße
∅
mit Warmwasserbereitung
1-Personen-Haushalt
1714
2880
2-Personen-Haushalt
2812
3781
3-Personen-Haushalt
3704
5053
4-Personen-Haushalt
4432
6103
5-Personen-Haushalt
5317
7310
EU-Emissionshandel
Größere fossile Kraftwerke unterliegen dem EU-Emissionshandel. Daher zahlst Du
beim Strom bereits schon länger den CO2-Preis,
der sich dort jeweils ergibt, wenn Du keinen Ökostrom beziehen.
Hier findest Du Details zum EU-Emissionshandel.
Hier findest Du Details zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung.
Aus Vereinfachungsgründen werden auch die CO2-Emissionen aufgrund Deines
direkten Stromverbrauchs als direkte Emissionen bezeichnet.
Hier werden die Pro-Kopf-Emissionen Deines Haushalts durch den Konsum
'sonstiger Waren und Dienstleistungen' erfasst.
Das ist der gesamte private Konsum außer den oben bereits erfassten Emissionen (Sprit, Heizen und Strom). Die hier erfassten
CO2-Emissionen entstehen bei der Produktion dieser Konsumgüter.
Darin enthalten sind somit z.B. Ernährung, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Flugreisen,
die Dienstleistung Deines Handwerkers, der Kauf eines Autos oder eines Fernsehers.
Zu Deiner Orientierung: Der Durchschnittswert für Deutschland beträgt
3,7 t. Wenn Du Deine Emissionen genauer einschätzen willst, können wir den
CO2-Rechner des Umweltbundesamtes empfehlen.
Bitte beachte, dass Geringverdiener und Kinder in der
Regel weit unter dem angegebenen Durchschnitt liegen. Als Hilfsgröße kann von
1 - 1,5 t ausgegangen werden. Die Pro-Kopf-Emissionen
einer Durchschnittsfamilie mit zwei Erwachsenen und zwei Kinder liegen wohl zwischen
2 - 3 t.
Berechnung: CO2-pro-Kopf * Anzahl Personen im Haushalt *
CO2-Preis.
Die CO2-Bepreisung stellt für die Unternehmen Kosten dar, die sie versuchen werden durch den Einsatz weniger fossillastiger
Alternativen zu senken. Die Unternehmen suchen also aus eigenem Antrieb nach innovativen und
kostengünstigen Lösungen, um den Einsatz fossiler Brennstoffe zurückzudrängen. Die noch nicht
vermiedenen CO2-Kosten werden die Unternehmen in der Regel
an ihre Kunden weitergeben, so dass diese am Schluss über alle Wertschöpfungsketten hinweg
grundsätzlich im Preis der Endprodukte landen und diese Preise damit auch den CO2-Fußabdruck
des Produkts spiegeln.
Bei einem wirksamen CO2-Preis stehst Du damit vor
der Situation, dass Du in Bezug auf das Treibhausgas CO2 die richtige Wahl getroffen
hast, wenn Du z.B. im Supermarkt das preisgünstigere Produkt kaufst. Das würde Klimaschutz
wesentlich vereinfachen.
Allerdings besteht das grundsätzliche Problem, dass auf Importprodukte
aus Ländern zurückgegriffen werden könnte, die u.U. eine weniger ambitionierte Klimaschutzpolitik
betreiben. Dieses Problem besteht bei jeder ambitionierten rein nationalen Klimaschutzpolitik, wenn die
weniger fossillastigen Alternativen betriebswirtschaftlich (noch) teurer sind. Dies macht die Notwendigkeit
globaler Kooperation deutlich. Dieser Sachverhalt sollte aber nicht als Argument gegen nationale Schritte in
die richtige Richtung missbraucht werden. Diese Schritte sind notwendig, damit erstens globale Kooperation
am Ende gelingt und zweitens wir unsere im Pariser Abkommmen eingegangenen Verpflichtungen einhalten.
Übergangsweise können sinnvolle Ausnahmregelungen für energieintensive Prozesse, die besonders im
internationalen Wettbewerb stehen, sinnvoll sein.
Für die Herstellung von Benzin, der Produktion von Strom oder der sonstigen Waren und Dienstleistungen
sind Investitionsgüter, also Maschinen, Gebäude, etc. notwendig. In den bisher von Dir erfassten
Emissionen sind CO2-Emissionen, die bei der Herstellung dieser Investitionsgüter entstehen,
noch nicht enthalten. Eine Zuordnung der CO2-Emissionen bei der Produktion der Investitonsgüter
auf die Konsumgüter ist aufgrund der Datenlage nicht möglich. Daher haben wir aus den Gesamtzahlen für
Deutschland einen Zuschlagssatz von 25% ermittelt.
Die Ermittlung kannst Du hier nachvollziehen. Diesen Zuschlagssatz wenden wir auf die
bisher von Dir erfassten Konsum-CO2-Emissionen an.
Für die Herstellung von Benzin, der Produktion von Strom oder der sonstigen Waren und Dienstleistungen
sind Investitionsgüter, also Maschinen, Gebäude, etc. notwendig. In den bisher von Dir erfassten
Emissionen sind CO2-Emissionen, die bei der Herstellung dieser Investitionsgüter entstehen,
noch nicht enthalten. Die Unternehmen, die Investitionsgüter herstellen, werden anfallende
CO2-Kosten aufgrund der CO2-Bepreisung
an ihre Kunden weitergeben. Somit werden diese CO2-Kosten
in der Regel bis zu den Endkunden gewälzt. Damit spiegelt sich im Endkundenpreis der gesamte
CO2-Fußabdruck des Produkts wider. Wobei die Unternehmen die Nase im Wettbewerb vorne
haben, die Wege finden CO2 kosteneffizient und innovativ zu vermeiden. Du wirst dies
tun, wenn die Kosten der Vermeidung geringer sind als die CO2-Kosten
aufgrund der CO2-Bepreisung.
Eine genaue Zuordnung der CO2-Emissionen bei der Produktion der Investitonsgüter auf die
Konsumgüter ist aufgrund der Datenlage jedoch nicht möglich. Daher haben wir aus den Gesamtzahlen für
Deutschland einen Zuschlagssatz von 25% ermittelt.
Die Ermittlung kannst Du hier
nachvollziehen. Diesen Zuschlagssatz wenden wir auf die bisher von Dir erfassten Konsum-CO2-Emissionen
an.
Wenn alle CO2-Emissionen bepreist werden, lässt sich die
Klimadividende pro Kopf einfach berechnen, indem man die
Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland mit dem
CO2-Preis multipliziert:
10,3 t * 20 € = 207 €
Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man die Einnahmen (ca. 16
Mrd. €) aus der CO2-Bepreisung durch die
Anzahl der Bürger dividiert.
Die Klimadividende ist damit unabhängig von Deinem
persönlichen CO2-Fußabdruck und die Pro-Kopf-Dividende
ist für alle gleich hoch.
Die Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland von
10,3 t bei dem von Dir vorgegebenen
CO2-Preis von
20 € wird in der Simulationsbox
unten auf dieser Seite abgeschätzt. Die Einnahmen ergeben sich durch folgende Rechnung:
10,3 t * 80 Millionen Bürger * 20 € = 16 Mrd. €.
Deine CO2-Kosten = Dein CO2-Fußabdruck *
CO2-Preis von 50 €.
Als CO2-Kosten werden in diesem Rechner die Kosten
bezeichnet, die über die CO2-Bepreisung fossiler
Brennstoffe über alle Wertschöpfungsketten hinweg in den Endverbraucherpreisen landen.
Dabei unterstellen wir vereinfachend, dass die Unternehmen, die bei ihnen anfallenden
und (noch) nicht vermeidbaren CO2-Kosten, zu
100% in ihren Preisen weitergeben können.
Nicht enthalten sind Kosten, die anfallen können, um CO2-Emissionen zu
vermeiden, wie z.B. der höhere Anschaffungspreis eines besonders energieeffizienten
Kühlschranks oder die betriebswirtschaftlich (noch) höheren Kosten erneuerbarer
Energien einschließlich Speicher gegenüber fossilen Energieträgern. Wir wollen
nicht verschweigen, dass wir unter Umständen in einer dekarbonisierten Welt für
Einiges mehr ausgeben müssen und auch 'Verzicht' gegenüber heute notwendig sein
kann. Der Punkt ist, dass uns eine nichtdekarbonisierte Welt viel 'teurer' kommt,
also viel mehr Verzicht und insbesondere Elend bedeuten würde. Wir haben es in der
Hand, die dekarbonisierte Welt so zu gestalten und den technologischen Fortschritt
so einzusetzen, dass diese Welt für uns lebenswert ist. Eine reine 'Verzichtsdebatte'
springt daher zu kurz.
Über die CO2-Bepreisung müssen die fossilen
Energieträger sukzessive ihre tatsächlichen gesamten volkswirtschaftlichen Kosten
tragen (Fachterminus: Internalisierung externer Effekte bzw. sozialer Kosten). Damit
rechnen sich sukzessive die Alternativen auch betriebswirtschaftlich aus eigener
Kraft. Da die Alternativen dann in einem technologie- und lebensstiloffenen Wettbewerb
stehen, setzen sich die innovativsten und kostengünstigsten Alternativen durch. Der
Staat darf diesen Prozess jedoch nicht völlig sich selbst überlassen. So muss er z.B.
Forschung weiter ausreichend unterstützen und an der ein oder anderen Stelle
grundsätzliche Infrastrukturentscheidungen fällen (z.B. unter Umständen Oberleitungen
für LKWs auf Autobahnen). Außerdem muss der Staat natürlich in weitere öffentliche
Infrastruktur investieren, die für die Dekarbonisierung notwendig ist (z.B. Radwege,
öffentlicher Personenverkehr). Mit einer wirksamen
CO2-Bepreisung wird die Politik (und damit wir
als Gesellschaft) jedoch mit einer viel größeren Wahrscheinlichkeit die richtigen
Entscheidungen treffen, da wir Bürger die fossilfreien Alternativen dann einfordern
und auch nutzen werden.
Deine Klimadividende abzüglich Deiner CO2-Kosten
Steht bei Dir ein positiver Saldo denkst Du jetzt vielleicht,
dass es dann gar keinen Anreiz gibt die eigenen Emissionen zu senken. Alles nur 'rechte Tasche -
linke Tasche'? Der Anreiz ist jedoch trotzdem vorhanden. Die Klimadividende
ist unabhängig von Deinem persönlichen CO2-Fußabdruck. Deine CO2-Kosten
kannst Du jedoch beeinflussen. Mit steigendem CO2-Preis wird
der Anreiz für Dich über Alternativen nachzudenken und auch für die Wirtschaft entsprechende Produkte
auf den Markt zu bringen immer größer.
Steht bei Dir ein negativer Saldo, besteht vielleicht die Möglichkeit,
Deinen CO2-Verbrauch kurz- bzw. mittelfristig zu senken. Falls Du das nicht kannst oder nicht
willst, kannst Du diesen negativen Saldo vielleicht trotzdem als gerechtfertigt akzeptieren, weil er die
Abweichung Deiner persönlichen CO2-Emissionen vom Durchschnitt der Bevölkerung spiegelt. Damit
wird das Verursacherprinzip mit Gerechtigkeit und Verantwortung verknüpft. Langfristig wirst auch Du von
den innovativen Alternativen, die bei steigendem CO2-Preis vermehrt
auf den Markt kommen und vom Ausbau z.B. alternativer Verkehrskonzepte profitieren. Nicht zuletzt
profitieren wir alle davon, wenn wir auch aufgrund eines wirksamen CO2-Preises
die Unterschreitung der Zwei-Grad-Grenze schaffen.
Ein hoher negativer Saldo kann auch daher rühren, dass Du bereits
einen relativ hohen CO2-Preis eingegeben hast. Dann bitten wir
Dich zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Erreichung eines solchen Preises, kosteneffiziente und
innovative Alternativen vorhanden sein werden.
Erst müssen die Alternativen da sein?
Wir Bürger haben manchmal die Haltung, dass die Alternativen erst vorhanden sein müssen, bevor der
Staat eine wirksame Klimapolitik machen 'darf'. Das wird so aber wohl nicht funktionieren. Wir brauchen
einen kontinuierlich steigenden CO2-Preis, damit in die Alternativen
überhaupt investiert wird. Kommt die Politik aber in den Bereichen, in denen sie direkt Verantwortung
trägt - wie zum Beispiel beim Öffentlichen Personenverkehr - nicht in die Puschen, wäre es wichtig,
dass sich unser Frust dann nicht auf den CO2-Preis richtet, sondern
auf die verantwortlichen Politiker. Es ist ja eine alte Weisheit, dass man seinen Frust nicht auf den
Überbringer einer schlechten Nachricht richten sollte, sondern auf die wirklich Verantwortlichen. Dabei
müssen wir den 'Frust' umwandeln in politischen Druck.
Soziale Härtefälle
Besonders an die Politik gerichtet: Es wird im Prozess der Dekarbonisierung Sachverhalte geben, die
zu sozialen Härten führen - unabhängig mit welchem Instrument man den Prozess der Dekarbonisierung
maßgeblich steuert. Diesen Härten sollte in erster Linie mit sozial- und strukturpolitischen Instrumenten
begegnet werden. Wichtige Beispiele sind:
(1) Eine zielgenaue Unterstützung der energetischen Sanierung von Gebäuden zugunsten von sozial
Schwächeren. Hilfreich könnte auch ein entsprechend ausgebautes Wohngeld sein.
(2) Die sozial gerechte punktuelle Unterstützung von einkommensschwachen Berufspendlern, die (noch)
keine Alternative haben. Auch muss darauf geachtet werden, dass der ländliche Raum insgesamt nicht
'abgehängt' wird. Instrumente dafür sind: stärkere Förderung ÖPNV (z.B. app-gesteuerte Rufbussysteme
von Tür zu Tür), Breitbandausbau, gesicherte Ärzteversorgung, etc.
(3) In Regionen, die heute noch wesentlich vom Braunkohletagebau abhängen, müssen frühzeitig systematisch
u.a. durch Strukturpolitik Anreize für neue zukunftssichere Arbeitsplätze geschaffen werden.
Hinweise zur Simulationsbox
Simulation der Veränderung der CO2-Emissionen durch einen
CO2-Preis
Die CO2-Emissionen würden aufgrund eines kontinuierlich steigenden
CO2-Preises sinken. Damit könnte man den
komplexen Prozess der Dekarbonisierung auf eine sehr smarte Weise
maßgeblich über einen wirksamen CO2-Preis
steuern. Das Sinken der CO2-Emissionen bei einem CO2-Preis-X
muss bei der Abschätzung der Klimadividende berücksichtigt
werden, da die Einnahmen, die über die Klimadividende
wieder ausgeschüttet werden sollen, sich aus dem CO2-Preis
und den gesunkenen CO2-Gesamtemissionen ergeben.
Als Ankerpunkt, um die Veränderung der CO2-Emissionen simulieren zu können,
dient hier Deine Einschätzung, bei welchem CO2-Preis-Z Du davon
ausgehst, dass die Pro-Kopf-Emissionen im Jahr 2050 um 95%
gegenüber heute gesunken sein werden. In dieser Simulation wird dann stark vereinfachend
davon ausgegangen, dass die Reduktionssätze dazwischen sich proportional verhalten. Die
Wirkung eines CO2-Preises-X kann daher hier mit einem einfachen
Dreisatz
errechnet werden:
CO2-Preis-Z - 95% Reduktion
CO2-Preis-X - ? % Reduktion
Reduktionswirkung von CO2-Preis-X in % = 95 * CO2-Preis-X / CO2-Preis-Z
Du kannst Dir z.B. eine Meinung bilden, indem Du unterschiedliche
CO2-Preise im Bilanzrechner oben ausprobierst und
die Auswirkung auf Deine CO2-Kosten beobachtest. Bei
welchem CO2-Preis denkst Du, werden die fossilfreien
Alternativen zur Verfügung stehen und auch attraktiv genug für uns Bürger und die Unternehmen
sein? Bitte beachte: Es geht hier nicht um eine exakte Prognose. Sondern es geht darum, ein
Gefühl für CO2-Preise zu entwickeln.
95 * CO2-Preis-X / CO2-Preis-Z = 95 * 25 / 500 = 2,71%
= Reduktion CO2-Emissionen bei einem CO2-Preis von
25 €
Heutige Pro-Kopf-Emissionen abzüglich der in dieser Simulation angenommenen
Reduktion von 4.75% durch den CO2-Preis
von 25 €. Das Ergebnis ist die Basis für die
Berechnung der Klimadividende pro Kopf. Diese ergibt sich durch die
Multiplikation dieser Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland mit dem
CO2-Preis.
Grundsätzlich muss der CO2-Preis immer so hoch sein,
dass wir den politisch entschiedenen CO2-Emissionspfad einhalten. Der Emissionspfad
muss dabei Paris-kompatibel sein.
Bei einem funktionierenden Emissionshandel bildet sich der notwendige Preis zur Einhaltung der
Ziele durch Angebot und Nachfrage auf dem Zertifikatemarkt. Ein kontinuierlich steigender
Mindestpreis bei der Versteigerung der Zertifikate kann für mehr Planungssicherheit sorgen.
Hier findest Du Details zum EU-Emissionshandel.
Bei einer CO2-Abgabe muss der Staat die Anhebungsschritte entsprechend festlegen
bzw. kontinuierlich nachsteuern.