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Drei Monate lang diskutierten 160 per Los ausgewählte BürgerInnen über Maßnahmen für den Klimaschutz. Das Ergebnis: eine breite Mehrheit für einen CO2-Preis mit Klimadividende.

An großen Zielen zum Klimaschutz mangelt es in Deutschland nicht. Vorschläge, wie sie zu erreichen sind, scheitern aber allzu oft am Parteiengezänk und am politischen Mut. Um diese Situation zu überwinden, helfen klare Signale aus der Bevölkerung, wie sie nun der „Bürgerrat Klima“ geliefert hat.

Drei Monate lang trafen sich 160 zufällig ausgewählte Menschen aus ganz Deutschland, diskutierten mit WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen und vor allem untereinander, um Empfehlungen für den Klimaschutz zu erarbeiten. Schirmherr der Initiative war der ehemalige Bundespräsident Dr. Horst Köhler.

Nun hat der Bürgerrat seine Ergebnisse präsentiert – mit dem klaren Auftrag an die Politik, das 1,5-Grad-Ziel weiter zu verfolgen, um „den Erhalt der Lebensgrundlagen aller Menschen sicherzustellen“. Das Resultat: zehn übergeordnete Leitsätze und 84 Empfehlungen zu den Bereichen Energie, Mobilität, Gebäude und Wärme, Ernährung sowie zum CO2-Preis. Über jeden Leitsatz und jede Empfehlung stimmte der Bürgerrat einzeln ab.

Als wesentliches Instrument für die bevorstehende Transformation sieht der Bürgerrat einen CO2-Preis. Dieser soll „als verbindliches Instrument für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beitragen.“ Die Einnahmen aus dem CO2-Preis wollen die BürgerrätInnen „zweckgebunden in den sozialen Ausgleich, in Forschung und Entwicklung sowie in Infrastruktur“ investieren. Mit breiter Mehrheit sprachen sie sich außerdem dafür aus, eine Klimadividende zum sozialen Ausgleich für die Mehrbelastungen aus dem CO2-Preis einzuführen.

Im Detail gingen die Meinungen bei der Frage „Wohin mit dem Geld?“ jedoch auseinander.

42% der Ratsmitglieder plädierten dafür, die Einnahmen aus dem CO2-Preis vorrangig in den Infrastrukturausbau zu stecken, 21% votierten für verstärkte Forschungs- und Technologieförderung und 29% dafür, das Geld vorrangig an die BürgerInnen zurückzugeben, um soziale Härten abzufedern.

Bürgergutachten folgt im Herbst

Genauere Aussagen zu CO2-Preis und Klimadividende wird möglicherweise ein Bürgergutachten enthalten, das nun auf Basis der Leitsätze und Empfehlungen noch ausgearbeitet werden soll. Dieses soll im Herbst 2021 vorliegen.

Prof. Dr. Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam, zeigte sich bei der Präsentation der Ergebnisse am 30. Juni beeindruckt: Er sei „begeistert von der Ernsthaftigkeit“ der Diskussionen im Rat und davon, dass so gut wie alle Mitwirkenden die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels anerkannt hätten. „Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, so Renn. Außerdem lobte der Wissenschaftler die differenzierte Sichtweise, die aus den Ergebnissen spräche. Die Einsicht, dass jede/r seinen Teil beitragen und niemand auf einer Fortsetzung des Status quo beharren könne, habe sich durchgesetzt. Überdies, so Renn, hätte es bei den Diskussionen keine Tabuthemen gegeben.

Ist der Bürgerrat also ein Vorbild für die „große Politik“? Differenziertere, tabufreie Diskussionen über Inhalte wünscht man sich auch dort häufiger. Zumindest könnte das Veranstaltungsformat helfen, unsere Gesellschaft auch abseits der Klimapolitik enger zusammenzubringen. Eine Klimarätin schlug bei der Ergebnispräsentation denn auch vor, künftig überall im Land „Mini-Bürgerräte“ zu gründen, um politische Fragen zielorientiert und sachbezogen zu beraten.

Foto: Stephanie Hofschlaeger/PIXELIO