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Kommentar von Jakob Schoof

Nach einer langen Verhandlungsnacht haben sich die Staatschefinnen und –chefs der Europäischen Union am 11. Dezember auf ein neues Klimaziel geeinigt: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen der EU um 55% statt wie bisher um 40% gegenüber 1990 sinken. Die alte Zielmarke datierte noch aus der Zeit vor dem Pariser Klimaabkommen. Ihre Erhöhung war also lange überfällig.

Zeitlich hat die EU mit dem Beschluss eine Punktlandung geschafft. Bis Ende 2020, so besagt es das Pariser Klimaabkommen, sollten alle Vertragsparteien neue, verbesserte Emissionsziele vorlegen. Gemessen daran, was sich die Weltgemeinschaft in Paris vorgenommen hat, sind die 55 Prozent der EU die absolute Minimallösung: Damit genehmigt sich Europa ein CO2-Budget, mit dem – wenn alle anderen Staaten der Welt in den nächsten Jahren Ähnliches beschließen und dann auch einhalten – eine Einhaltung des Zwei-Grad-Limits bei der Erderwärmung gerade noch möglich wäre. Das 1,5-Grad-Ziel bleibt aber nach wie vor in weiter Ferne.

55 Prozent Emissionsminderung bis 2030 – das war auch die Minimalforderung, mit der die  Bürgerlobby Klimaschutz in das Jahr 2020 gestartet ist. Mit Recht weisen viele Klimaschutzorganisationen nun darauf hin, dass die EU bei ihrem neuen Klimaziel einige Rechentricks anwendet. Anders als bisher sollen nämlich „Negativemissionen“ aus Landnutzungsänderungen und der Forstwirtschaft auf die 55% angerechnet werden, sodass die realen Emissionsminderungen auch geringer ausfallen können. Umso wichtiger, dass die EU nun nach dem übergeordneten Nettoziel auch konkrete Einzelziele für Positiv- und Negativemissionen benennt.

Davon abgesehen, dürfte der Blick nach vorne erfolgversprechender sein, als den Mängeln des jetzt gefundenen EU-Kompromisses nachzutrauern. Denn die 55% Emissionsminderung müssen ja noch in konkrete Politik umgesetzt werden. Wie das geschehen soll, hat die EU-Kommission schon vor einigen Monaten angedeutet: Der EU-Emissionshandel muss erneut reformiert werden, die Flottengrenzwerte für Autos sollen gesenkt und die EU-Lastenverteilung neu ausgehandelt werden. Dieser Verteilschlüssel legt fest, welcher EU-Mitgliedsstaat in den nicht von Emissionshandel betroffenen Sektoren wieviel Treibhausgase einsparen muss.

Auch Deutschland wird hier deutlich mehr tun müssen als bisher, wenn der Begriff der Klimagerechtigkeit keine leere Worthülse bleiben soll. Und auch beim Emissionshandel und den Flottengrenzwerten wird die Bundesregierung in den eigenen Reihen noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die entsprechenden Gegenlobbys in Industrie und Verbänden haben sich schon formiert.

Um diese Widerstände zu überwinden, braucht es nicht zuletzt eine wache Zivilgesellschaft. Umso wichtiger ist es daher, dass wir als Bürgerlobby im Wahljahr mit guten Argumenten, kritischen Nachfragen und sanftem Druck zur Stelle sind, um wirksame Klimapolitik voranzubringen.

Foto: Heinrich Hildebrandt/PIXELIO