Die Linke hat ein eher ambivalentes Verhältnis zu CO2-Preisen und ihrer möglichen Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Im Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021 heißt es einerseits: „Emissionshandel bietet keinen wirksamen Klimaschutz.“. Andererseits unterstützt die Partei eine Reform des EU-Emissionshandels, „die zur Anhebung der Klimaschutzziele in den Emissionshandelssektoren auf die Paris-Ziele führt und jeden Missbrauch des Instruments ausschließt.“
Die Rolle, die CO2-Preise auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen können, stand denn auch im Mittelpunkt unseres Gesprächs mit dem Verkehrs- und Finanzexperten der Linken-Fraktion im Bundestag, Jörg Cezanne, Ende April. Es war bereits das zweite digitale Treffen mit ihm innerhalb weniger Monate.
Ein CO2-Preis könne durchaus nützlich sein, stellte Cezanne eingangs des Gesprächs klar – aber eben vorwiegend in der Energiewirtschaft und der Industrie, die bereits jetzt am EU-Emissionshandel teilnehmen. Für Gebäude und Verkehr setzt die Linke stärker auf andere Maßnahmen – etwa ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2030, einen massiven Ausbau von ÖPNV und erneuerbaren Energien sowie groß angelegte Förderungsprogramme für Gebäudesanierungen. Anstelle der Pendlerpauschale will sie ein Mobilitätsgeld einführen, von dem auch Nicht-ArbeitnehmerInnen profitieren.
Zur Erklärung wies Jörg Cezanne darauf hin, dass steigende Energiepreise Menschen mit niedrigem Einkommen besonders stark belasten, während sich Menschen mit hohen Einkommen klimaschädliches Verhalten weiterhin „leisten“ können. Als mögliches Gegenmittel stellten wir ihm die Idee einer Klimadividende vor, wie sie die Bürgerlobby Klimaschutz seit Jahren fordert. Außerdem wiesen wir auf ein Dilemma hin, das bei einer Verkehrswende ohne steigende CO2-Preise droht: Durch das Wachstum der Elektromobilität sinkt die Nachfrage nach Benzin, der Treibstoff wird günstiger und die Menschen erhalten einen Anreiz, ihre Verbrenner-Autos noch länger zu fahren als sie das ohnehin tun würden.
Ein weiteres Thema unseres Gesprächs war der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, bei dem die Linke schrittweise einen Nulltarif einführen möchte. Dass dies schwierig zu finanzieren sein dürfte, gab auch Jörg Cezanne zu. Zur Finanzierung schlägt Die Linke u.a. vor, die rund 8 Mrd. Euro jährliche Subvention für Dieselkraftstoff zu verwenden. Auch der „Wiedereinstieg“ in die öffentlichen Verkehrsmittel dürfte wohl noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, nachdem viele Menschen diese aufgrund der Corona-Pandemie zuletzt gemieden hätten.
Wichtig, so Cezanne, sei in jedem Fall eine Umschichtung der Mittel im Bundeshaushalt: Noch immer würde weit mehr Geld in den Ausbau von Straßen gestellt als in den des Schienennetzes. Pointiert fällt daher auch seine Kritik am Bundesverkehrswegeplan aus, die er Ende 2020 in einer Bundestagssitzung geäußert hat: „Der Bundesverkehrswegeplan ist eine Sammlung von Planungsdinosauriern aus Zeiten, als Telefone noch eine Schnur hatten, der Verkehrsminister Matthias Wissmann hieß und das Pariser Klimaschutzabkommen als bindender völkerrechtlicher Vertrag noch gar nicht existierte.“